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Interview mit Ministerpräsident Vojislav Kostunica

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Berichte Serbien
Der Balkan wird in den kommenden sechs Monaten den Schwerpunkt der österreichischen EU-Präsidentschaft bilden. Diese Schwerpunktsetzung erfolgt zu einem für die Region entscheidenden Zeitpunkt; denn mit den Gesprächen über den endgültigen Status des Kosovo und über die mögliche Loslösung Montenegros von Serbien sind die letzten noch offenen territorialen Fragen zu klären. Hinzu kommt die weitere Annäherung des Balkan an die EU und dabei setzen die Staaten der Region ebenfalls große Hoffnungen auf Österreich. Über die Rolle Österreichs und über die Lage am Balkan hat unserer Korrespondent in Belgrad, das folgende Exklusivinterview mit dem serbischen Ministerpräsidenten Vojislav Kostunica geführt.

Im Herbst 2000 leitete der Sturz von Slobodan Milosevic eine neue Ära in Serbien ein. Die sieger hießen damals Vojislav Kostunica und Zoran Djindjic, der drei Jahre später als serbischer Ministerpräsident im Hof des Regierungsgebäudes erschossen wurde. Dieses Amt bekleidet seit knapp zwei Jahren Vojislav Kostunica. Zu seinen größten Erfolgen zählt, dass die EU im Herbst dieses Jahres Verhandlungen über ein Stabilisierungs- und Assoziationsabkommen begann. Diese EU-Perspektive ist für Serbien aber auch aus anderen Gründen wichtig, betont Kostunica:

„Ich denke, dass gerade die Verhandlungen über Stabilisierung und Assoziation helfen und die Richtung der anderen Verhandlungen positiv beeinflussen werden. Sie geben die mehr als notwendige europäische Perspektive auch den Gesprächen über den Staatenbund mit Montenegro und über den Kosovo. Daher werden auch die Verhandlungen über Stabilisierung und Assoziation das kommende Jahr prägen.“

Doch ohne Verhaftung des mutmaßlichen bosnisch-serbischen Kriegsverbrechers Ratko Mladic dürften die EU diese Verhandlungen bereits im Februar aussetzen. Kostunica bekräftigt daher den Willen Serbiens, Mladic zu finden:

„Wir werden in den kommenden Tagen und Monaten alle Mittel darauf konzentrieren und alle Aktionen darauf ausrichten, um eine unserer internationalen Verpflichtung zu erfüllen, damit das entspannend auf all die anderen Prozesse wirkt, die nächstes Jahr stattfinden. Ich möchte betonen, dass der Abschluss der Zusammenarbeit mit dem Haager Tribunal vor allem im Interesse Serbiens und Montenegros liegt.“

Serbiens zweites großes Problem ist der Kosovo. Die Pendeldiplomatie der UNO-Vertreter Marti Ahtisaari und Albert Rohan hat bereits begonnen; konkrete Verhandlungen sind für den Jänner geplant. Die von den Albanern geforderte Unabhängigkeit lehnt Kostunica strikt ab:

„Man kann sich unmöglich vorstellen, dass der UNO-Sicherheitsrat eine Entscheidung erzwingt, die einem demokratischen Staat einen Teil seines Territoriums aberkennt und damit eine Grundlage der UNO verletzt und das ist die territoriale Integrität und Souveränität aller Staaten. Daher muss es zu einem Kompromiss kommen, doch das ist kein einfacher und schnell gangbarer Weg.“

Geklärt werden soll bei den Verhandlungen auch das Schicksal der serbischen Vertriebenen. Sein Lösungsmodell beschreibt Kostunica so:

„Die Vertrieben sollten in den Teil des Kosovo zurückzukehren können, den sie selbst wählen und nicht nur in den Ort ihrer Herkunft. Diese von der UNO-Verwaltung aufgestellte Regel hat sich als völlig unbrauchbar erwiesen, weil sie praktisch die Rückkehr gestört und verhindert hat. Die Serben werden nicht nach Prishtina zurückkehren, können aber in Gemeinden zurückkehren, die an Prishtina angrenzen. Das gilt auch für andere Städte, aus denen Serben vertrieben wurden. Dafür war meine Regierung immer, und wäre das von Beginn an möglich gewesen, hätten wir eine viel größere Zahl Vertriebener, die bereits zurückgekehrt wären.“

Und welche Rolle kann Österreich durch seine EU-Präsidentschaft bei der Lösung all dieser Probleme spielen; dazu sagt Vojsilav Kostunica:

Für mich ist diese Tatsache von entscheidender Bedeutung; denn sehr wichtig sind das Interesse Österreichs an der Stabilität dieser Region, die wichtige Rolle Österreichs in dieser Hinsicht und seine Kenntnis der Region, die nicht bei allen Ländern besteht, die weiter entfernt von uns sind. Das zeigt sich auch daran, dass der Österreicher Albert Rohan Stellvertreter von Marti Ahtisaari ist, der als Chefvermittler bei den Kosovo-Gesprächen fungiert, und dass auch der Vertreter von Havier Solana bei diesen Gesprächen mit Stefan Lehne ein Österreicher ist. Österreich wird daher eine sehr wichtige Rolle spielen, und ein Teil der Gespräche über den Kosovo wird auch in Wien stattfinden.“

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