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Titos Dolmetscher Ivan Ivanij

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Berichte Serbien
„Titov Prevodilac“ – „Titos Dolmetscher“, unter diesem Titel hat gestern (vorgestern) Ivan Ivanij in Belgrad seine Erinnerungen vorgestellt. Ivanij war mehr als 15 Jahre der Deutsch-Dolmetscher des früheren Staatschefs des kommunistischen Jugoslawien, Josip Broz Tito, der 1980 verstorben ist. In dieser Funktion als Dolmetscher hat Ivanij viele Weltpolitiker in der Zeit des Kalten Krieges kennen gelernt. Dazu zählen auf westdeutscher Seite Willi Brandt und Helmut Schmidt, sowie auf Seiten der ehemaligen DDR, Walter Ulbrich und Erich Honecker. Gedolmetscht hat Ivanij aber auch die Treffen zwischen Tito und vielen österreichischen Politikern wie Josef Klaus und Bruno Kreisky. In Belgrad hat unser Balkan-Korrespondent Christian Wehrschütz Ivanijs Buch gelesen, mit dem Autor gesprochen und folgenden Bericht über Titos Dolmetscher gestaltet:

Das Buch „Titos Dolmetscher“ ist eine Fundgrube an Anekdoten, die der 76-jährige Ivan Ivanij an der Seite Titos und vieler ehemaliger jugoslawischer Spitzenpolitiker erlebt hat. Im Falle Titos, war Ivanji nicht nur Dolmetscher, sondern auch Ohrenzeuge, denn Tito sprach als Kind der k. und k. Monarchie ebenfalls sehr gut deutsch; das nutzte der Marschall stets zum privaten Gespräch, etwa beim Treffen mit Bundespräsident Franz Jonas, der gemeinsam mit Josip Broz Tito die Brücke bei Bad Radkersburg zwischen Slowenien und der Steiermark eröffneten. Dieses Gespräch beschreibt Ivan Ivanji so:

„Der Präsident Jonas ist hinübergekommen nach Radgona und dort hat man Champagner getrunken, das ist ein recht guter Sekt von Radgona; dann fuhr man über die Brücke nach Radkersburg und auf ein Mal sagt der Tito: Wissen Sie Herr Präsident, wie man die Brücke nennen sollte?“ – „Ja, wie?“ – „Die Franz Josef-Brücke“. Und der alte Sozi Franz Jonas ganz entsetzt: „Wieso?“ Da sagt er ganz einfach: „Franz Jonas und Josef Tito.“

Von den vielen österreichischen Politikern und Diplomaten, denen Ivani begegnet ist, schätzt er den früheren Botschafter in Belgrad, Karl Hartl, am meisten. Mit ihm war der Dolemtscher auch befreundet, war doch Hartl Autor jener populärwissenschaftlichen Bücher, die den jungen Ivani einst für die Naturwissenschaften begeisterten. Denn Ivani war zunächst Lehrer an einer technischen Mittelschule ehe er Germanistik studierte, Schriftsteller und Dolmetscher wurde. Auch diese Liebe zur Literatur verband ihn mit Karl Hartl, der Einladungen zu Titos jährlichen Jagdausflügen nur aus Pflichtbewusstsein annahm. Daher fragte Tito einmal, warum der Herr Botschafter denn nicht gerne jage. Hartls Antwort schildert Ivani so:

„Der Karl Hartl hat weit ausgeholt und auf schönstem Österreichisch gesagt: „Nein Exzellenz, ich bin ein Arbeiterjunge aus Wien, aus dem Roten Wien, das kennens doch Exzellenz, und als ich ein junger Bursch war, da konnte ich an so was gar nicht denken, und jetzt, wo die Welt’gschicht einen Witz g’macht hat und ich das könnte, Exzellenz, das wär’ doch komisch, net?“

Tito, dessen Lebensstil alles andere als spartanisch war, beschreibt sein ehemaliger Dolmetscher mit folgenden Worten:

„Tito war nicht nur ein Mensch, der gerne gelebt hat, sondern der gerne leben ließ. Man hat hier gut gelebt, man konnte überall hinfahren. Der Arbeiter und der Bauer konnten Sommer- und Winterferien machen in dieser Zeit.“

Der Zerfall des Tito-Jugoslawien ist für Ivanji denn auch eine Tragödie, deren Ursache er bis heute nicht zu erklären vermag. Doch es war wohl nicht sein schwerster Schicksalsschlag. Denn Ivani wuchs als Sohn eines jüdischen Ärzte-Ehepaars im Banat auf und lernte Deutsch nicht zuletzt durch seine österreichische Gouvernante. Seine Eltern wurden 1941 nach der deutschen Besetzung Jugoslawiens in einem Lager ermordet, und der 15-jährige Ivanji selbst war zwischen März 1944 und April 1945 in den KZs Auschwitz und Buchenwald. Trotzdem hat sich Ivanji seine Liebe zur deutschen Sprache bewahrt. Ivan Ivanji:

„Sie werden bemerkt haben, dass ich nie die Deutsche gesagt habe, im Laufe unseres Gesprächs, weil das miteinander nichts zu tun hat. Die Hitlers haben kein gutes Deutsch gesprochen, selbst der Österreicher Adolf Hitler oder Schickelgruber nicht, und das hat mit der Sprache Goethes, Schillers usw. überhaupt nichts zu tun. Ich hab’ jahrzehntelang immer wieder gesagt, sagt nicht Deutsche, wenn ihr die SS meint, und jetzt sag’ ich immer, sagt nicht die Serben, wenn ihr Milosevic, Seselj und diese Bande meint, sondern bezeichnet sie wieder richtig.“

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