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Interview mit Michael Polt, US-Botschafter in Belgrad

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Berichte Serbien
Der blutige Zerfall des ehemaligen Jugoslawien war vor 15 Jahren der Ausgangspunkt für die gemeinsame Außenpolitik der Europäischen Union. Wie schwer sich die EU nach wie vor mit Gemeinsamkeit tut, zeigen nicht nur der Balkan, sondern auch die Finanzkrise und das Nein zur EU-Verfassung in Frankreich und den Niederlanden .Daher sind die USA in Europa und am Balkan nach wie vor ein unverzichtbar, um diese Region zu stabilisieren, in der zwei entscheidende Weichenstellungen bevorstehen. Es sind die Verhandlungen über den endgültigen Status des Kosovo und die Frage, ob Montenegro sich von Serbien abspaltet. Doch haben die USA über haupt noch genügend Interesse am Balkan, angesichts des weltweit geführten Kampfes gegen den Terror, wegen der ungewissen Stabilisierung des Irak und nicht zuletzt wegen innenpolitischer Probleme wie dem Wirbelsturm Katrina. Über diese Fragen hat in Belgrad unser Balkan-Korrespondent Christian Wehrschütz mit dem amerikanischen Botschafter in Serbien, Michael C. Polt, gesprochen; hier sein Bericht:

Der 54-jährige Mikel C. Polt ist amerikanischer Karrierediplomat mit österreichischen Wurzeln.Geboren in Eisenstadt verbrachte Michael Christian Polt die ersten 13 Jahre seines Lebens in Österreich; in zweiter Ehe war seine Mutter mit einem amerikanischen Diplomaten verheiratet, wanderte in die USA aus und Polt trat in die Fußstapfen seines Stiefvaters. Seit mehr als einem Jahr ist der Karrierediplomat nun Botschafter der USA in Belgrad. Polt bestreitet, dass die USA angesichts der vielen anderen weltweiten Herausforderungen das Interesse am Balkan zunehmend verlieren:

"Ein Europa, frei und in Frieden, das ist unsere Überzeugung, ist ein wichtiges Element unserer Außenpolitik und da der Westbalkan eine wichtige Rolle in der Vollendung dieser Strategie und dieser Vision spielt, ist der Westbalkan für uns eine sehr wichtige Region. Wir können mehrfache Herausforderungen annehmen, ungeachtet dessen wie schwierig sie sein mögen, um die Antworten zu suchen und zu finden, um mit Vertrauen in das 21. Jahrhundert zu gehen."

Doch ebenso unbestreitbar ist auch, dass die USA ihre Truppen in Bosnien massiv reduziert und die EU militärisch und politisch die Hauptverantwortung für die weitere Stabilisierung dieses Landes übernommen hat. Bosnien könnte in dieser Hinsicht auch ein Vorbild für den Kosovo sein, dessen internationaler Status im kommenden Jahr geklärt werden dürfte. Daher stellt sich natürlich die Frage, ob die USA ihre Truppen im Kosovo reduzieren werden, sobald die Verhandlungen abgeschlossen sind, die noch dieses Jahr beginnen sollen. Zu Bosnien und zum Kosovo sagt Polt:

"Die Verringerung unserer Truppen in Bosnien sowie die Übertragung einiger Sicherheitsaufgaben an unsere europäischen Partner war eine natürliche Entwicklung bei der Teilung der Partnerschaft, die wir in diesem Teil der Welt mit Europa haben. Es gibt gegenwärtig keine Pläne etwas zu unternehmen, was unsere Präsenz im Kosovo betrifft, wir sind ein fester Bestandteil der Verantwortung, die die KFOR innerhalb der NATO trägt. Wir beabsichtigen alle unsere Verpflichtungen zu erfüllen. Bei den bevorstehenden Statusverhandlungen werden alle Fragen wie Sicherheit, Politik, Wirtschaft auf den Tisch kommen, doch wir haben nicht die Absicht, uns vor unseren Verpflichtungen zu drücken, weder in diesem Teil der Welt oder anderswo in Europa."

Was den Kosovo betrifft, so betont der amerikanische Botschafter die große Bedeutung der Zusammenarbeit zwischen den USA und der EU, denn eine umfassende Stabilisierung des Balkan könne nur gemeinsam gelingen. Trotzdem bestehen in der Balkan-Politik auch Unterschiede zwischen Washington und Brüssel. So steht die EU dem geplanten Unabhängigkeitsreferendum in Montenegro sehr reseviert gegenüber, weil Brüssel den Staatenbund zwischen Serbien und Montenegro lieber bewahren möchte. Die Haltung der USA beschreibt Polt dagegen so:

"Wir haben keine Position dazu, wie das Verhältnis zwischen Serbien und Montenegro in- oder außerhalb der Staatenunion sein sollte. Wir haben nur eines sehr klar gemacht: Die Entscheidung, die über die Zukunft der beiden Republiken getroffen wird, muss auf offene, demokratische und transparente Weise erreicht werden. Sie muss friedlich getroffen werden und jene internationalen Standards erfüllen, die bei einer derart wichtigen politischen Entscheidung erforderlich sind. Darüber hinaus haben wir keine Haltung über den zukünftigen Kurs dieser Beziehungen festgelegt."

Klar ist jedoch die Haltung der USA was die Zukunft des so genannten Westbalkan betrifft. All diese Länder sollen schrittweise an EU und NATO herangeführt werden. Obwohl die EU der viel größere Geldgeber ist, unterstützt auch Washington den Reformprozess. Seit dem Sturz von Slobodan Milosevic vor fünf Jahren haben Serbien-Montenegro mehr als 500 Millionen Dollar erhalten. Unterstützt werden etwa Justiz-, Polizei- und die Streitkräftereform in Serbien. Dazu sagt Botschafter Polt:

"Wir helfen bereits bei der Ausbildung ihrer Militärs in einigen unserer Einrichtungen wie etwa im Marshall-Zentrum in Garmisch; einige werden auch in den USA ausgebildet. Wir unterstützen die Verteidigungsreform, die zu modernen Streitkräften führen soll. Wir haben Serbien-Montenegro zwei bilaterale Verträge angeboten, und zwar ein "Status of Forces Aggreement" und eine Vereinbarung über Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Sicherheit. Sobald diese Verträge unterzeichnet sind, werden wir weitere Ausbildungsmöglichkeiten und auch zusätzliche Mittel für Ausrüstung zur Verfügung haben. Doch es gibt eine wesentliche Vorbedingung für die künftige Mitgliedschaft beim NATO-Programm "Partnerschaft für den Frieden", und dass ist die Auslieferung von Ratko Mladic an das Haager Tribunal."

Die USA sind denn auch die massivsten Verfechter einer kompromisslosen Zusammenarbeit mit dem Haager Tribunal. Gleichzeitig wird aber auch der Jugendaustausch gefördert, um die Folgen der Isolation der Milosevic-Jahre abbauen zu helfen. Denn der Nationalismus ist vor allem in Serbien noch immer sehr stark; so hat etwa die Ausstrahlung eines Videos über serbische Verbrechen im bosnischen Srebrenica eine massive Gegenreaktion in Serbien ausgelöst. Zur Aufarbeitung der Vergangenheit am Balkan sagt US-Botschafter Michel C. Polt:

"Was Serbien-Montenegro betrifft so haben die Reaktionen auf die Videoaufnahmen und andere Debatten in den Medien klar gezeigt, dass die Diskussion darüber, was sich hier in den vergangenen 10, 15 Jahren ereignet hat, in dieser Gesellschaft noch nicht in tief greifender Weise begonnen hat. Es obliegt nicht dem Ausland zu sagen, was sie hier wie zu tun haben, aber es ist klar, dass es für die Menschen hier wichtig ist, zu einem Entschluss zu kommen, wie sie ihre Vergangenheit bewerten, wenn sie in die Zukunft schauen. Doch man kann keine Zukunft haben, wenn man nicht ehrlich mit der Vergangenheit umgeht."

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