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Serbische Studenten reisen durch Europa

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Berichte Serbien
In Serbien haben die Jahre des Milosevic-Regime auch an den Universitäten tiefe Spuren hinterlassen. Durch die Sanktionen des Westens waren die Hochschulen auch von der internationalen Zusammenarbeit ausgeschlossen und Studenten konnten praktisch nicht ins Ausland reisen. Seit dem Sturz von Slobodan Milosevic vor fünf Jahren hat sich diese Situation gebessert, doch die materielle Lage der Universitäten sind noch immer sehr schwierig. Das

gilt noch mehr für viele Studenten, die bisher kaum Auslandserfahrung sammeln konnten. Um diese Lage zu bessern sind seit heute 100 serbische Studenten einen Monat in ganz Europa unterwegs. Die Initiative dazu ging von der österreichischen Botschaft in Belgrad aus. Aus Belgrad berichtet Christian Wehrschütz:

Meinungsumfragen zeigen, dass etwa 70 Prozent der serbischen Studenten nie

im Ausland waren. Das ist ein Nährboden für Vorurteile und Klischees. Daher

haben die österreichische Botschaft in Belgrad und der Verein "Europäische

Bewegung" in Serbien vor zwei Jahren ein Projekt ins Leben gerufen, das

derzeit verwirklicht wird. Hundert Studenten sind seit gestern in Österreich

und werden nun vier Wochen durch Europa reisen. Zu ihnen zählt der

24-jährige Vladan Divac. Er studiert wie sein Freund Slobodan Risimovic

Elektrotechnik in Belgrad. Beide wohnen in einem Studentenheim; Unterkunft

und Verpflegung kosten pro Monat 50 Euro. DasGeld schießt der Staat vor,

wobei der Kredit bei gutem Erfolg nicht zurück bezahlt werden muss. Divac

und Risimovic wollen nun Paris, Amsterdam, Madrid, Barcelona und Deutschland

besuchen. Zu seinen bisherigen Reisen sagt Vladan Divac:

"Wenn ich die Grenzen des ehemaligen Jugoslawiens nicht berücksichtige, weil

das jetzt Ausland ist, so war ich nur zwei Monate in Israel. Denn im vierten

Studienjahr wurde ich ausgewählt und konnte zwei Monate an einem Projekt in

Haifa arbeiten. Doch in den Ländern der EU war ich bisher nicht."

Das ist nun möglich, denn die österreichische Botschaft stellte die Visa

gratis aus. Die Stadt Belgrad finanzierte das Interrail-Ticket, private

Geldgeber sponserten Übernachtung in Jugendheimen, günstige Verpflegung und

ein Taschengeld von 200 Euro. Dafür mussten die Studenten, die Kriterien

erfüllt, die der Verein "Europäische Bewegung" vorgegeben hat. So spricht

Vladan Divaz recht gut englisch, studiert schnell und erfolgreich, ist

jünger als 26 und war kaum im Ausland. Seine Lage im Vergleich zu Studenten

aus der EU schildert Divac so:

"Unsere Altersgenossen aus der EU können frei durch die anderen Länder

reisen, und daher ist das für uns wirklich eine Gelegenheit zu sehen, wie

das in der Welt aussieht. Denn es für uns sieht es so aus, dass diese Region

nur geographisch zu Europa gehört."

Divac und sein Freund Slobodan Risimovic werden wieder nach Belgrad

zurückkehren. Doch nach dem Studium wollen sie ins Ausland, denn fünf Jahre

nach dem Ende von Slobodan Milosevic sind sie mit dem Reformtempo in Serbien

unzufrieden. Slobodan Risimovic:

"Ich denke, dass die Geduld langsam zu ende geht, und dass viele auswandern

werden. Viele wollen das Land - soweit ich weiß - sicher verlassen. Die

besten Studenten unserer Fachrichtung sind bereits weg, sei es in Madrid,

Holland, Amerika, wo sie Post-Diplom-Studien absolvieren, wo ihnen einfach

ein Arbeitsplatz sicher ist. Wo mehr geboten wird, dort geht man eben hin."

Serbien wird sich daher etwas einfallen lassen müssen, um die Emigration zu

stoppen, die das Land bereits so viele qualifizierte Köpfe gekostet hat.

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