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Nationale Konflikte in der Vojvodina nehmen wieder zu

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Berichte Serbien
In der nordserbischen Provinz Vojvodina nehmen die national motivierten Zwischenfälle neuerlich zu. In der zwei Millionen Einwohner zählenden Provinz stellen die Serben mit 65 Prozent die größte Bevölkerungsgruppe. Doch in der Vojvodina leben etwa 30 nationalen Minderheiten, von denen die Ungarn mit 14 Prozent die größte ist. Sie sind von den Übergriffen auch am stärksten betroffen. So hat ein Ausschuss der Provinzparlaments jüngst einen Bericht verabschiedet, in dem knapp 180 ethnisch motivierte Zwischenfälle verzeichnet sind, die sich in den vergangenen zwei Jahren ereignet haben. Über die Lage in der Vojvodina berichtet aus Belgrad unser Balkan-Korrespondent Christian Wehrschütz:

Der Bericht über ethnisch motivierte Zwischenfälle umfasst ebenso Schlägereien zwischen Jugendlichen wie minderheitenfeindliche Graffiti an Häusern in der Provinz Vojvodina. Als größte Minderheit sind die Ungarn von diesen Vorfällen am stärksten betroffen, doch Übergriff gab es auch gegen Kroaten, Serben, Albaner und Roma. Etwa 40 Vorkommnisse wurden 2003 registriert, im Vorjahr waren es 140 und damit mehr als drei Mal soviel. Doch 2004 fanden in der Vojvodina auch Lokalwahlen statt, und zum Teil lässt sich dieser drastische Anstieg der Zwischenfälle auch damit erklären. Trotzdem rief diese Entwicklung Ungarn, die EU und den Europarat auf den Plan, zumal die serbische Regierung zunächst nicht reagierte. Nach der internationalen Intervention beruhigte sich die Lage im Frühjahr dieses Jahres zunächst, doch im Frühsommer wurden bereits wieder 50 derartige Zwischenfälle registriert. Laslo Djula, der Obmann des Ausschusses für multiethnische Beziehungen im Provinzparlament in Novi Sad, spricht jedoch von einer beträchtlichen Dunkelziffer. Das erläutert Laslo Djula am Beispiel einer Schlägerei, die sich jüngst ereignet hat:

„Grund für die Schlägerei war, dass Mädchen serbischer Nationalität zu ungarisch sprechenden Jugendlichen kamen und sie zu beschimpfen begannen. Warum sprecht ihr Ungarisch, hier ist Serbien, geht doch nach Ungarn. Doch anschließend hat das die Polizei nicht ins Protokoll aufgenommen. Als die ungarischen Jugendlichen daher sahen, dass es Probleme geben könnte, verzichteten sie auf eine Anzeige.“

Djula wirft der Polizei vor, Zwischenfälle zuwenig streng zu bewerten. Das hänge damit zusammen, dass nationale Minderheiten in der Polizei zu wenig vertreten seien. Hinzu komme, dass viele serbische Polizisten Flüchtlinge aus Kroatien seien, die durch ihr Schicksal kaum ein Verständnis für nationale Minderheiten hätten. Die massive Zuwanderung von Flüchtlingen während der Zerfallskriege im ehemaligen Jugoslawien sowie die Abwanderung von Ungarn und Kroaten hat die ethnische Zusammensetzung der Provinz beträchtlich verändert. Abgesehen vom Flüchtlingsschicksal spielen auch die Propaganda in der Ära Milosevic sowie die triste Wirtschaftslage eine Rolle. Daher zeigen Umfragen auch, dass die Intoleranz unter Jugendlichen massiv ist. Minderheitenvertreter fordern daher, dass Serbien endlich klare Signal setzt. Dazu sagt Laslo Djula:

„Jeder ethnisch motivierte Zwischenfall muss auch als derartiger Zwischenfall bewertet und nach Möglichkeit streng bestraft werden. Denn von den 178 verzeichneten Zwischenfällen wissen wir noch von keinem, der Konsequenzen gehabt hätte. Das gilt nicht nur für die Polizei, sondern auch für die Gerichte, die die Täter verurteilen müssten. Das ist bisher aber nicht geschehen.“

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