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Präsidentenwahl in Serbien

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Berichte Serbien
In Serbien ist die Minderheitsregierung von Ministerpräsident Vojislav Kostunica am Sonntag 100 Tage im Amt, und dieser Tag ist für die Drei-Parteien-Koalition bereits von schicksalhafter Bedeutung. Denn am Sonntag findet der erste Durchgang der Präsidentenwahl statt, die damit der erste Stimmungstest für die Regierung ist. Wahl-berechtigt sind 6,5 Millionen Serben. Um deren Stimmen werben 15 Kandidaten; doch nur vier von ihnen sind ernsthafte Bewerber. Es sind dies der Ultranationalist Tomislav Nikolic, der pro-westliche Reformpolitiker Boris Tadic, der politische Quereinsteiger und Großunternehmer Bogoljub Karic sowie der Kandidat der Regierung Dragan Marsicanin. Marsicanin und damit auch der Drei-Parteien-Koalition von Ministerpräsident Vojislav Kostunica werden für morgen eine klare Niederlage vorausgesagt, berichtet aus Belgrad unser Korrespondent Christian Wehrschütz:

Hundert Tage Amtszeit sind für fast jede Regierung zu kurz, um große Erfolge vor-zuweisen. In Serbien ist diese Zeit aber lange genug, um von Opposition, Medien und ungeduldiger Bevölkerung als unfähig abgestempelt zu werden. Denn in Serbien ist auch vier Jahre nach dem Ende der Ära Milosevic kein rascher Aufschwung in Sicht. Erträglich ist für viele die Lage nur, weil Auslandsserben pro Jahr 2,7 Milliarden Dollar überweisen. Dieser Betrag ist fast so hoch wie die Exporterlöse Serbiens im Jahre 2003. Trotzdem sind viele Serben arm. Weniger als die Hälfte aller Haushalte zahlt die Stromrechnung pünktlich, denn bei 200 Euro Durchschnittslohn kostet ein Liter Speiseöl bis zu einen Euro. Dafür verantwortlich gemacht wird die Regierung, die aber besser ist als ihr Ruf. Sie hat sich bemüht, die Produktion anzukurbeln und durch Steuerbegünstigungen ausländische Investoren anzulocken. Auch hat sie aus dem Wahlgesetz jene Bestimmung gestrichen, wonach die Präsidentenwahl nur gültig ist, wenn mehr als die Hälfte aller Wahlberechtigten abstimmt. Daran scheiterte die Wahl drei Mal, und das Amt ist seit 18 Monaten vakant. Dieses Mal wird die Wahl gültig sein. Doch der Präsident wird erst nach der Stichwahl in zwei Wochen fest-stehen, weil morgen kein Bewerber die absolute Mehrheit der abgegebenen Stimmen gewinnen wird. Nicht erreichen wird die Stichwahl nach allen Umfragen der Kandidat der Regierung, Dragan Marsicanin. Er dürfte nur halb so viele Stimmen bekommen, wie die Koalition bei der Parlamentswahl vor sechs Monaten. Marsicanin schaden der Regierungsmalus, ein schlechter Wahlkampf und seine Farblosigkeit. Marsicanin muss froh sein, wenn er vor dem Großunternehmer Bogoljub Karic Platz drei belegt. Karics Popularität erklärt der Meinungsforscher Srbobran Brankovic so:

„Er ist enorm reich, hat einen Fernsehsender, eine Privatuniversität, beschäftigt Tausende Menschen, sodass Tausende Familien von ihm abhängen, besitzt einen Internetanbieter, eine Mobiltelefongesellschaft, ist Vorsitzender der Industriellen-vereinigung. Karic hat somit ein enormes Netz für die soziale Beeinflussung der Wähler. Außerdem hat er eine intuitive Begabung für die Kommunikation mit den einfachen Leuten. Er spricht davon, Serbien zu bewegen und Arbeitsplätze zu schaffen.“

Diese Botschaft fiel auf fruchtbaren Boden, obwohl Karic einen guten Teil seines Vermögens der Ära Milosevic verdankt. Das ist vielen Serben egal, weil sie fast alle Politiker für korrupt halten, und Karic Korruption nicht mehr nötig hat. Karic hat eine Partei gegründet und wird ein politischer Faktor bleiben, obwohl er den Einzug in die Stichwahl nicht schaffen wird. Erreichen werden sie Boris Tadic, der Vorsitzende der Demokratischen Partei, und der Utranationalist Tomislav Nikolic. Tadic ist erklärter Reformer, der Serbien so rasch wie möglich nach Europa führen will. Er wird morgen den zweiten Platz belegen, könnte den Rückstand bis zur Stichwahl aber aufholen. Denn nicht nur dem Westen, sondern auch vielen Serben ist der Ultranationalist Tomislav Nikolic nicht geheuer, der die meisten Stimmen bekommen wird. Nikolic hat seine Sprache, seine Kritik am Westen und am Haager Tribunal gemäßigt, um dem Vorwurf zu begegnen, er würde Serbien neuerlich in die Isolation führen. Ob diese Taktik greift, bleibt abzuwarten. Sicher ist aber, dass die Präsidentenwahl morgen mit einer klaren Niederlage für die Regierung enden wird. Sie könnte die Regierung derart schwächen, dass es im Herbst bereits zu Parlamentswahlen kommen könnte. Politisch stabile Verhältnisse, sind somit nicht in Sicht, obwohl Serbien Ende Juni endlich einen Präsidenten gewählt haben wird.

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