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Präsidentenwahl in Serbien

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In Serbien wird morgen eine neuer Präsident gewählt. Es ist das bereits der dritte Ver-such, denn bereits zwei Mal ist die Präsidentenwahl an zu niedriger Wahlbeteiligung ge-scheitert. Mehr als die Hälfte der 6,5 Millionen Wahlberechtigten muss wählen, damit die Wahl gültig ist. Diese Bestimmung im Wahlgesetz ist unter Slobodan Milosevic aber auch von dessen demokratischen Nachfolgern genutzt worden, um unliebsame politische Gegner zu verhindern, denen auf faire Weise der Sieg nicht zu nehmen gewesen wäre. Nun haben Djindjics politische Erben selbst mit diesem Problem zu kämpfen. Denn dem Kandidaten der Regierung, Draguljub Michunovic, ist der Sieg sicher, wenn die Wahl gültig ist. Doch auch dieses Mal dürfte es in Serbien sehr knapp werden, berichtet aus Belgrad Christian Wehrschütz:

Applaus und Jubel bei der Abschlusskundgebung im Belgrader Kongreßzentrum für Dragoljub Michunovic waren weit mehr Ergebnis der Veranstaltungsregie als spontaner Begeisterung. Der 73-jährige kleine, füllige und weißhaarige Michunovic verfügt weder über besondere Gaben als Redner noch über Charisma, ist aber ein erfahrener, gemäßigter Politiker. Dieser Mann des Ausgleichs könnte gerade jetzt der Mann sein, den Serbien als Präsidenten braucht, obwohl sich auch Michunovic bewusst ist, dass das Amt des Präsi-denten kein machtvolles ist:

“Er hat die Verfassung zu schützen, Gesetze zu beeinspruchen, von denen er glaubt, dass sie verfassungswidrig sind, er gibt den Auftrag zur Regierungsbildung und kontrolliert auf gewisse Weise die Regierung, er vertritt den Staat gegenüber dem Ausland und ist Mitglied des Obersten Verteidigungsrates. Diese Zuständigkeiten wird der Präsident auch in einer neuen Verfassung behalten.“

Doch diese neue Verfassung ist schon seit sechs Monaten überfällig. Trotzdem ist sie ebenso wenig in Sicht wie stabile staatliche Institutionen. Die Regierung ist nach monatelanger Agonie zurückgetreten und hat für den 28. Dezember Parlamentswahlen angesetzt. Das nunmehr aufgelöste Parlament ist bereits vor Monaten des Betrugs bei Abstimmungen überführt worden und auch Korruptionsskandale haben Serbien in Atem gehalten. Das Budget für das Jahr 2004 konnte ebenso wenig beschlossen werden wie die Einführung der Mehrwertssteuer und auch die Reform der Justiz verläuft noch immer im Schneckentempo. Hinzu kommt, dass das Amt des Präsidenten seit fast einem Jahr vakant ist und von der Parlamentspräsidenten interimistisch ausgeübt wird. Dazu sagt Dragoljub Michunovic:

„Offensichtlich haben wir eine politische Konfrontation und Instabilität, weil einige Institutionen wie etwa der Präsident Serbiens nicht gewählt worden sind. Hätten wir einen gewählten Präsidenten wäre er eine Art Vermittler mit starker Autorität.“

Diese Vermittlerrolle könnte Michunovic spielen und wegen der institutionellen Krise wäre es für Serbien sehr wichtig, dass die Präsidentenwahl gültig ist. In diesem Falle ist Michunovic der Sieg nicht zu nehmen, denn alle anderen fünf Kandidaten liegen in Umfragen weit zurück. Im Wahlkampf warb Michunovic daher vor allem um eine hohe Wahlbeteiligung. Meinungsforscher sagen in dieser Hinsicht eine Zitterpartie voraus. Die Wahllokale schließen um 20 Uhr und zwei Stunden später wird bekannt sein, ob mehr als die Hälfte der 6,5 Millionen Stimmberechtigten gewählt haben. Nur in diesem Fall ist der erste Durchgang gültig und eine allfällige Stichwahl überhaupt möglich. Ist die Wahl un-gültig, muss sie wiederholt werden. Grund für das wiederholte Scheitern der Präsidenten-wahl sind ein schlechtes Wahlgesetz, das Politiker immer wieder zu Machtspielen genutzt haben. So verhinderte der ermordete Ministerpräsident Zoran Djindjic durch Wahl-boykott zwei Mal den Sieg seines Erzrivalen Vojislav Kostunica. Nunmehr boykottiert Kostunica die Wahl; denn Michunovic wird von Djindjics Nachfolger Zoran Zivkovic unterstützt, der sich von einem Sieg seines Kandidaten auch positive Auswirkungen für die Parlamentswahl erhofft. All diese Rankünen haben viele Serben ermüdet und frustriert. Hinzu kommen veraltete Wählerlisten und die Bestimmung, dass nur im heimatlichen Wahllokal gewählt werden darf. Fliegende Wahlkommissionen, Wahlkarten oder Briefwahl gibt es immer noch nicht. Das verringert ebenfalls die Wahlbeteiligung. Somit könnte Serbien am Montag tatsächlich zum Kandidaten für das Guinnessbuch der Rekorde werden. Denn scheitert die Präsidentenwahl so verfügt Serbien tatsächlich über keine einzige funktionierende und demokratisch legitimierte Institution und das ist nicht nur für Europa, sondern auch für balkanische Verhältnisse rekordverdächtig.

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