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Streitkräfte und Reform in Serbien

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Berichte Serbien
Der Staatenbund Serbien und Montenegro will der UNO bis zu Tausend Soldaten für Friedensmissionen zur Verfügung stellen. Vorbereitungen für einen Einsatz in Afgha-nistan laufen bereits. UNO-Missionen und die angestrebte Teilnahme am NATO-Pro-gramm „Partnerschaft für den Frieden“, sollen auch die Streitkräfte aus der Isolation führen. Doch der Weg nach Westen ist ebenso wenig leicht wie die Reform der Streit-kräfte selbst. Waffen und Ausrüstung sind veraltet und altes Denken aus der Ära Milosevic ist noch ebenso vorhanden. Die Aufgabe, die Reform durchzuführen, hat als Verteidigungsminister Boris Tadic übernommen. Tadic kommt nächsten Mittwoch zum ersten Besuch eines serbischen Verteidigungsministers überhaupt nach Wien. Mit Boris Tadic in Belgrad gesprochen hat unser Balkan-Korrespondent Christian Wehrschütz. Hier sein Bericht:

Sieben Monate ist Boris Tadic Verteidigungsminister und doch hat er in dieser Zeit mehr getan als alle seine Vorgänger zusammen, seit Slobodan Milosevic vor drei Jahren gestürzt wurde. So stärkte Tadic die zivile Kontrolle, in dem er den General-stab dem Ministerium unterstellte und dem Generalstab die Kontrolle über den militärischen Geheimdienst entzog. Verbessert hat Tadic die Zusammenarbeit mit dem Haager Tribunal. Er entließ im Sommer 200 Offiziere, darunter Personen, die dereinst vielleicht in Den Haag landen könnten. Der Reform und der Westorientierung dient die verstärkte Teilnahme an UNO-Missionen, mit der Tadic auch die politische Isolation der Ära Milosevic endgültig überwinden will:

„Ein wirkliches Heraustreten aus der Isolation kann es nicht geben, wenn nicht auch die Streitkräfte aus der Isolation herauskommen. Daher soll mit der Beteiligung an UNO-Missionen auch die Glaubwürdigkeit der Streitkräfte und des Staatenbundes Serbien-Montenegro zurückkehren.“

Etwa 600 serbische Soldaten sollen schrittweise zu UNO-Missionen entsandt werden. Aufgebaut werden soll damit auch ein Offizierskorps, das die Reform der Streitkräfte tragen und dies dann auch führen kann. Wie bei den UNO-Einsätzen verfolgt Serbien auch bei dem angestrebten Beitritt zum NATO-Programm „Partnerschaft für den Frieden“ politische und militärische Zielsetzungen gleichzeitig. Boris Tadic:

„Allein Idee und Antrag zum Beitritt zum NATO-Programm Partnerschaft für den Frieden sind eine politische Geste, die sagt, dass wir als Staat westlich orientiert sind. Andererseits ist dieses Programm für uns auch eine Möglichkeit zum Technologie-transfer, für neue Führungsmethoden in den Streitkräften, für eine Modernisierung unseres Umgangs auch mit unserem Humanpotential.“

Doch beiden Zielen stehen ernsthafte Hindernisse entgegen. Auf politischer Ebene kämpft Serbien mit Milosevics Erbe. So wird ein Beitritt zum NATO-Programm erst möglich sein, wenn der mutmaßliche Kriegsverbrecher, der ehemalige bosnische Ser-benführer Ratko Mladic, in den Haag sitzt. Außerdem hat das Milosevic-Regime mehrere NATO-Staaten wegen des Kosovo-Krieges vor dem Internationalen Gerichtshof geklagt. Serbien will die Klagen erst zurückziehen, wenn Kroatien und Bosnien bereit sind, ihre Klagen gegen Serbien vor diesem Gerichtshof fallen zu lassen. Nicht weniger schwerwiegend sind praktische Probleme. Für UNO-Einsätze fehlen derzeit nicht nur moderne Ausrüstung in ausreichender Zahl, sondern auch Offiziere mit ausreichenden Englischkenntnissen. Hinzu kommen materielle Pro-bleme aber nicht nur wegen veralteter Waffensysteme. Die Streitkräfte zählen 62.000 Soldaten und 16.000 Zivilbedienstete. 20.000 von ihnen, also jeder Vierte, hat keine geeignete Wohnung oder Unterkunft. Ungünstig ist auch die Struktur des Budgets, die Boris Tadic so beschreibt:

„Das Verteidigungsbudget beträgt etwa 700 Millionen Dollar. Doch das große Pro-blem liegt darin, dass fast 52 Prozent des Budgets für Gehälter verwendet werden. Das führt zum anderen großen Problem, dass die übrige Verteilung der Ausgaben auf materielle Aufwendungen und Investitionen nicht gut genug ist, um eine Moderni-sierung der Streitkräfte zu gewährleisten.“

Die Streitkräfte sollen schlanker, moderner und schlagkräftiger und von 62.000 Mann auf 40 bis 50.000 Mann reduziert werden Verändert werden soll auch die Alters-pyramide des Offizierskorps. Das Durchschnittsalter liegt bei mehr als 40 Jahren. 60 Prozent der 9700 Offiziere sind Majore und höhere Dienstgrade, das heißt, es gibt zu viele Häuptlinge und zu wenig Indianer. Offiziere verdienen durchschnittlich 300 Euro pro Monat. Der Soldatenberuf ist daher unattraktiv, obwohl sein Ansehen hoch ist. Was fehlt ist auch ein gut ausgebildetes Unteroffizierskorps, das Rückgrat jeder westlichen Armee. Doch vorhanden sind Militärtradition und Verteidigungsbereit-schaft, zum Mal der seit September mögliche Zivildienst mit 13 Monaten um vier Monate länger dauert als Wehrdienst und Dienst ohne Waffe in den Streitkräften. Daher wird Serbien nach einigen Jahren sicher über ein professionelles Heer mit hoffentlich klarer demokratischer Orientierung verfügen. Derzeit ist es noch nicht so weit und daher ist es trotz eines Verteidigungsministers Boris Tadic beruhigend zu wissen, dass nach all den Kriegen im ehemaligen Jugoslawien die Einsatzbereitschaft der serbischen Streitkräfte als niedrig einzuschätzen ist.

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