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Steiner-Austellung Belgrad

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Berichte Serbien
In Belgrad ist derzeit eine Ausstellung des Österreichers Herwig Steiner zu sehen. In seinen Bodeninstallationen verarbeitet Steiner historisch und politisch bedeutsame Texte zu Bildkompositionen und hebt dadurch die Trennung zwischen Text und Bild auf. Weit mehr als 100 Quellen hat Steiner für diese Ausstellung zusammengetragen; ihr Ziel ist es auch, in Serbien zu einer kritischen Auseinandersetzung mit der Ära von Slobodan Milosevic und mit dem blutigen Zerfall des ehemaligen Jugoslawien beizutragen. Unser Balkan-Korrespondent Christian Wehrschütz hat die Ausstellung in Belgrad besucht und folgenden Beitrag gestaltet:

Die Ausstellung Herwig Steiners in Belgrad findet in einem geschichtsträchtigen Gebäude statt. So war das Museum für die Geschichte Jugoslawiens einst auch Gestapo-Hauptquartier, Sitz der Kommunisten und Museum für die Geschichte der Revolution. Ebenso eng wie das Gebäude, sind auch die Texte mit der Geschichte Jugoslawiens verwoben, die Steiner für seine Boden-installationen verwendet hat. Doch ebenso wie die Geschichte des Ausstellungsortes vielen Belgradern unbekannt ist, trifft das auch für die Texte zu. Eingearbeitet hat Steiner etwa auch das Memorandum des serbischen Intellektuellen Vasa Cubrilovic aus dem Jahre 1937. Darin wird die Massenvertreibung der Albaner aus dem Kosovo mit folgender Begründung vorgeschlagen:

„Wenn Deutschland Zehntausende von Juden und Rußland Millionen von Menschen von einem Teil des Kontinents zum anderen verlegen konnte, so wird die Vertreibung von einigen Hunderttausend Albanern schon nicht zum Ausbruch eines Weltkriegs führen.“

Verwendet hat Steiner aber auch das weit bekanntere, umstrittene Memorandum der Serbischen Akademie der Wissenschaften aus dem Jahre 1986. Diese Schrift war für den Aufstieg von Slobodan Milosevic ebenso bedeutsam war wie für den Zerfall Jugoslawiens. Zur Lage im Kosovo heißt es darin :

„In weniger als zehn Jahren wird es, sollten sich die Dinge nicht grundlegend ändern, im Kosovo keine Serben mehr geben, das ethnisch saubere Kosovo, das unmißverständlich erklärte Ziel der großalbanischen Rassisten, erfährt somit die vollkommene Verwirklichung.“

Diese Analyse wurde wegen der Politik von Slobodan Milosevic und wegen des Kosovo-Krieges zur sich selbst erfüllenden Prophezeiung. Herwig Steiner ist sich der Brisanz seiner Texte bewußt:

„Ich habe doch einiges an nicht unumstrittenem Material nach Belgrad mitgebracht und ich habe schon einige Stimmen im Vorfeld vernommen, die sich damit auseinandergesetzt haben und daher bin ich also guter Dinge, dass es zu einer Diskussion kommen wird. Hier gibt es keine fest gefertigten Antworten abzuholen, sondern nur Kontext-Material, das zu weiterer Interpretation anregen soll.“

Doch eine umfassende Interpretation wird in Serbien noch lange auf sich warten lassen; denn die Vergangenheitsbewältigung steht noch völlig am Beginn; das gilt für die Aufarbeitung des Massakers im bosnischen Srebrenica ebenso wie für den Kosovo-Krieg. Denn Geschichtswissenschaften und Medien dienen auch als politisches Kampfmittel: das ist nicht nur in Serbien so, wie Steiner betont.

„Auseinandersetzungen werden heutzutage in den Medien gewonnen oder verloren, das ist meine Meinung und die Propaganda zieht sich auch durch die westlichen Medien. Die sind Beeinflussungen ausgesetzt. Meine Arbeit beschäftigt sich eben mit den Mechanismen der medialen Auseinandersetzung und auch mit den Mechanismen von Abwertung von Individuen. Ich habe da einen Text. Die Verwandlung von Kafka verwendet, um den herum gruppiere ich medienkritische Reflexionen.“

Beim den intellektuellen Besuchern der Ausstellung stießen die Werke Steiners auf breite Anerkennung. Denn diese bürgerliche Schicht der Belgrader Bevöl-kerung ist sich durchaus bewußt, daß es auch in Serbien zu einer Aufarbeitung der Geschichte kommen muß:

Besucherin:

„Ich bin ausgesprochen angenehm überrascht, weil das etwas völlig neues ist, das wir hier sehen können. Denn im Museum für die Geschichte Jugoslawiens wurden bisher hauptsächlich konventionelle und sehr konservative Werke ausgestellt. Das erstemal sehe ich eine Ausstellung am Boden, wo man den Kopf senken muss. Das was sich in unserer Geschichte in den vergangenen zehn Jahren ereignet hat müssen wir mit gesenktem Haupt betrachten. Ausgesprochen provokativ und sehr bewegend waren für mich die Exponat, die sich auf Srebrenica beziehen.“

Bewußt waren sich die Besucher jedoch auch, daß ein Bewußtseinswandel bei der Masse der Bevölkerung nur langfristig zu erreichen sein wird: Wie sagt doch ein chinesisches Sprichwort: „Es ist besser ein kleines Licht anzuzünden als über die Dunkelheit zu klagen“ Und das gilt auch für Serbien.

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