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Interview mit Jean-Louis Tauran

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Der Außenminister des Vatikan, Erzbischof Jean-Louis Tauran, ist in gewisser Weise ein Zeitzeuge der Ereignisse am Balkan in den vergangenen 12 Jahren. Das erste Mal war Tauran 1991 in Belgrad als der blutige Zerfall des alten Jugoslawien begann. 1999 während des Kosovo-Krieges besuchte er erneut Jugoslawien, das nur mehr aus Serbien und Montenegro bestand. In dieser Woche war Jean-Louis Tauran neuerlich in Belgrad. Dabei traf er mit der reformorientierten Führung des neuen Staates Serbien und Montenegro und mit Vertretern der serbisch-orthodoxen Kirche zusammen. Gerade im Dialog zwischen den beiden Kirchen gibt es gewisse Fortschritte. So hat jüngst zum ersten Mal eine Delegation der serbischen Orthodoxie den Vatikan besucht. In Belgrad hat unser Balkankorrespondent Christian Wehrschütz mit Erzbischof Tauran gesprochen und folgenden Bericht gestaltet:

Der Gottesdienst in der Stadt Subotica im serbisch ungarischen Grenzgebiet zählte zu den Höhepunkten des Besuches von Erzbischof Jean-Louis Tauran, dem Außenminister des Vati-kan in Serbien. In der 150.000 Einwohner zählenden Stadt bildet die ungarische Minderheit mit 57.000 Mitbürgern die größte Gruppe. Daher wurde die Predigt des Erzbischofs nicht nur ins Serbische, sondern auch ins Ungarische übersetzt. Die Katholiken in Serbien sind nicht nur eine Minderheit; die katholische Kirche ist auch eine Kirche der Minderheiten. Sie leben vor allem in der Provinz Vojvodina, zu der auch Subotica zählt. Trotz der Ära Milosvic hat die Vojvodina ihren Charakter als Provinz mit vielen Volksgruppen bewahrt. Deren Zusam-menleben hat sich nun spürbar entspannt und auch die verschiedenen christlichen Konfes-sionen arbeiten in der Vojvodina besser zusammen als in anderen Teilen Serbiens. So nahm in Subotica an der von Jean-Louis Tauran und Erzbischof Stanislav Hocevar zelebrierten Messe auch der orthodoxe Bischof der Backa, Irinej teil. Irinej zählt zu den orthodoxen Würden-trägern, die den Dialog mit Rom vorantreiben wollen. Darum ging es auch beim Treffen zwischen Tauran und Patriarch Pavle. Tauran bewertete das Gespräch als freundschaftlich und familiär. Doch der Weg zur Ökomene oder gar zu einem Besuch des Papstes ist noch weit, wie Tauran zugeben muß:

„ Ich muß sagen, daß der Geist der Ökomene bei allen Vertretern der Orthodoxie nicht im selben Ausmaß gegenwärtig ist wie bei uns. Doch ich kann auf jeden Fall sagen, daß der aufgeklärte Teil offen für die Ökomene ist. Wir hatten einen ausgezeichneten Besuch in der Stadt Sabac, wo uns der orthodoxe Bischof mit seinem gesamten Klerus empfangen hat. Wir haben gemeinsam gebetet am Morgen in einer orthodoxen und am Nachmittag in einer katholischen Kirche. Das sind Steine im großen Mosaik des ökomenischen Dialogs; doch wir dürfen nicht auf Fortschritte im selben Tempo hoffen. Wichtig ist, daß wir uns auf ein gemeinsames Ziel zu bewegen.“

Eine gewisse Entspannung und Entkrampfung im Verhältnis zwischen katholischer Kirche und serbischer Orthodoxie ist denn auch spürbar. So hat jüngst eine hochrangige Delegation der serbischen Orthodoxie Rom besucht und auch mit dem Papst gesprochen. Zum Ergebnis dieses Besuches sagt Erzbischof Tauran:

„Wir haben zunächst gemeinsame Punkte festgestellt, die uns verbinden; zweitens wurde ein großes Treffen des Heiligen Synod der serbisch-orthodoxen Kirche und der Bischofskon-ferenz von Serbien und Montenegro vereinbart. Drittens haben wir den Austausch von Professoren zwischen der thologischen Fakultät in Rom und der theologischen Fakultät in Belgrad vereinbart. So bestehen verschiedene Ebenen der Zusammenarbeit auf kulturellem, theologischem und pastoralem Gebiet. Wir sind auf gutem Wege, am Beginn eines Weges, den wir hoffentlich gemeinsam zurücklegen werden.“

In Serbien zusammengearbeitet haben Katholiken und Orthodoxe und alle anderen Kirchen etwa bei der Einführung des Religionsunterrichtes vor mehr als einem Jahr. Konkret ging es dabei um die Festlegung der gesetzlichen Rahmenbedingungen und um die Erarbeitung der Lehrbücher. Gerade die Wiedereinführung des Religionsunterrichts in Serbien ist ein Zeichen dafür, daß sich das Verhältnis zwischen den Kirchen und dem Staat und auch zwischen Rom und Belgrad verbessert hat. So wurde denn Erzbischof Tauran auch von Außenminister Goran Svilanovic nach Belgrad eingeladen. Als Zeichen guten Willens hat Svilanovic jüngst die Visapflicht für Diplomaten des Vatikan aufgehoben. Trotzdem ist auch der Weg noch weit, den Rom und Belgrad zu gehen haben:

„Wir haben noch nicht über ein Konkordat gesprochen und ich denke, dafür ist es noch zu früh. Wir müssen ein bestimmtes Klima für ein Konkordat aufbereiten und dazu bedarf es noch vieler Schritte. Wir sind am Beginn dieses Prozesses. Doch was mich besonders positiv berührt ist, daß die Regierung große Hochachtung gegenüber der katholischen Kirche hat. Wir haben die Möglichkeit des Religionsunterrichts an den Schulen und unsere karitative Tätigkeit können wir ungehindert ausüben, so daß eine normale Lage gegeben ist. Doch das, was besonders wichtig ist, ist die Offenheit der Regierung für einen Dialog."

Thema des Gesprächs der beiden Außenminister war auch das in Serbien geplante Gesetz über die Religionsgemeinschaften, das deren Rechtsstellung regeln soll. Bereits seit längerem wird in Serbien aber auch über ein Denationalisierungsgesetz debattiert. Es soll die Frage der Rückgabe von Vermögen regeln, das unter den Kommunisten enteignet worden ist. Besonders betroffen von der Verstaatlichung war die Orthodoxie, doch auch die katholische Kirche in Serbien litt unter der Enteignung. Daher kam auch dieses Thema bei Treffen von Außen-minister Goran Svilanovic und Jean-Louis Tauran zur Sprache:

„Die Rückgabe von Eigentum ist eine grundlegende Frage der Gerechtigkeit und nicht nur für die Kirche, sondern auch für Einzelpersonen wichtig. Die Kirche verlangt die Rückgabe aber nicht nur, weil die Enteignung illegal war. Vielmehr brauchen wir auch eine minimale materielle Basis für unsere Tätigkeit. Priester müssen ein angemessenes Gehalt haben, wir brauchen Räume für den Religionsunterricht, um Treffen zu organisieren, um unsere Aufga-ben zu erfüllen und karitativ zu wirken. Für all diese guten Werke braucht man materielle Güter. Die katholische und die orthodoxe Kirche erwarten nicht Rückgabe des gesamten Eigentums. Doch so viel muß zurückgegeben werden, damit wir unsere Aufgabe erfüllen können und nicht als Bettler auftreten müssen, denn das ist auch eine Frage der Würde.“

Außenminister Svilanovic wiederum ersuchte die katholische Kirche um Unterstützung bei der Rettung und Bewahrung von Kulturgütern im Kosovo. Vor allem religiöse Kulturdenk- mäler und Kirchen der Orthodoxie waren im Kosovo Ziel von Anschlägen albanischer Extremisten. Grund dafür ist, daß während des Krieges auch viele Moscheen zerstört wurden und die Orthodoxie von den Albanern im Kosovo als Träger des Serbentums angesehen wird. Tauran sagte zu, der Vatikan werde bei der UNESCO intervenieren, damit der Schutz dieser Kulturgüter verbessert werde. Die katholische Kirche, der im Kosovo eine Minderheit unter den Albanern angehört, wird in der Provinz auch ein Zentrum eröffnen, um die Zusammen-arbeit der Religionsgemeinschaften zu verbessern. Zur Stellung der katholischen Kirche Kirche im Kosovo und zum Wesen des Konflikts sagt Erzbischof Tauran:

„Während des Kosovo-Konflikst wurde die katholische Kirche stets geachtet und das ist der Grund, warum sie eine bedeutende Rolle und Respekt hatte. Christliche Werte sind eine der Grundelemente für Aussöhnung und Stabilität. Sie haben völlig recht, daß der Konflikt im Kosovo kein religiöser war. Trotzdem mußten wir immer wieder in europäischen Medien lesen, daß die Konflikte am Balkan religiös begründet waren. Das ist grundfalsch; die Wahrheit ist, daß die Religion ein Faktor und Teil der Lösung ist.“

Um Entspannung bemüht war die katholische Kirche jüngst aber nicht nur am Balkan, sondern auch im Irak. So hat der Vatikan einen Vertreter nach Bagdad entsandt, um die minimalen Chancen für die Vermeidung eines weiteren Golfkrieges auszuloten. Zum drohenden Krieg und zur Botschaft des Vatikan an Sadam Hussein, sagt Erzbischof Jean-Louis Tauran:

„Der Krieg muß, obwohl er als Recht im Völkerrecht vorgesehen ist, das letzte Mittel sein, ist aber immer, immer, immer die schlechteste Lösung. Wir haben der irakischen Regierung die Botschaft übermittelt, daß der Friede das höchste Gut ist. Denn in diesen Konflikten ist immer nur vom Irak, von den USA, von Waffen und wovon auch immer die Rede aber niemals vom irakischen Volk. Doch dieses Volk leidet bereits seit 12 Jahren unter dem Embargo und anderen Schwierigkeiten. Wir haben daher alles zu tun, um ein weiteres Leiden des Volkes zu verhindern. Daher muß der Irak noch mehr mit der UNO zusammenarbeiten und die internationale Gemeinschaft sollte etwas mehr Geduld haben.“
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