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Ein Sprichwort besagt: „Es gibt kleine Lügen, große Lügen und Statistiken“ – und wenn man der Opposition in Serbien glauben darf als weitere Steigerungsstufe die jugoslawischen Wahlen. Denn die „Demokratische Opposition Serbiens“ unter Vojislav Kostunica erhebt gegen die politische Führung des Landes massive Vorwürfe der Manipulation der Wahlergebnisse vor allem bei der Wahl des jugoslawischen Präsidenten. Erhoben werden diese Anschuldigungen auch von der ultranationalistischen Serbischen Radikalen Partei. Deren Vorsitzender, der stellver-tretender serbische Ministerpräsident Vojislav Seselj bezeichnet die Wahlen als im wesentlichen irregulär. Er habe kein Vertrauen in die Bundeswahlbehörde, das Verfassungs-gericht und die gesamte jugoslawische Gerichtsbarkeit. Was sind nun konkret die Ungereimtheiten und Manipulationen, die die Opposition der Bundeswahlbehörde und damit Slobodan Milosevic vorwirft. Über diese Fragen hat Christian Wehrschütz in Belgrad mit Sinisa Nikolic gesprochen, der für das Walbündnis DOS, also für die „Demokratische Opposition Serbiens“ in der Bundeswahlbehörde sitzt. Hier sein Bericht:

Text:

Die amtlichen Wahlergebnisse hat die Bundeswahlbehörde in einem eigenen Amtsblatt veröffentlicht. Bereits die erste Seite dieses Dokuments läßt massive Ungereimtheiten erkennen. So gab die Wahlbehörde vor der Wahl die Zahl der Wahlbe-rechtigten in Jugoslawien mit etwa 7,8 Millionen an. Im Amtsblatt ist diese Zahl für die Präsidentenwahl um 600.000 Wähler niedriger. Sinisa Nikolic, Vertreter des Oppositions-bündnisses DOS in der Bundeswahlkommission sagt zu diesem Wählerschwund:

„Über Nacht verschwanden in Jugoslawien 600.000 Wähler. Als wir eine Erklärung wollten, sagte der Leiter des statistischen Zentralamts in Belgrad, etwa 300 Wahllokale im Kosovo seien nicht geöffnet gewesen. Das statistische Zentralamt hält diese Wähler für nicht existent.“

Wie aus den Angaben der Bundeswahlbehörde hervorgeht, haben auch 142.000 Kosovo-Albaner für Slobodan Milosevic gestimmt, obwohl die Kosovaren einen Wahlboykott angekündigt und nach Aussagen der UNO-Verwaltung auch durchgeführt haben. In einem Wahllokal Srbica im Kosovo wurden nach Angaben der Opposition nur 18 Stimmen abgegeben, trotzdem hat Milosevic dort nach offizielen Angaben etwa 1100 Albaner Stimmen erhalten. Zur Wahl im Kosovo stellt und zu seiner Kritik an den ständigen Mitgliedern der Bundeswahlbehörde sagt Nikolic:

„Sie können uns nicht erklären, wie Albaner in Orten gewählt haben, wo wir über Fotos verfügen, dass diese Wahllokale gar nicht verfügen. In vielen Fällen waren das zerstörte Gebäude oder Felder.

Bemerkenswert sind auch die Wahlergebnisse für die Bürger-kammer, das Unterhaus des Parlaments. Denn in das Unterhaus zog auch eine Albaner-Partei mit der Bezeichnung „Allianz für den Frieden“ ein, die mit knapp 24.000 Stimmen ein Mandat erreicht haben soll:

„Trotz sorgfältiger gemeinsamer Analyse mit den anderen oppositionellen Mitgliedern in der zentralen Wahlkommission konnten wir nicht feststellen, wer für diese Partei gewählt hat und in welchen Wahllokalen diese Stimmen abgegeben wurden.“

Sagt Nikolic.

Doch auch die Opposition hat ihre eigenen Angaben zwei Mal nach unten korrigiert; so hieß es zunächst, Vojilsav Kostunica habe im ersten Durchgang 55 Prozent erreicht; wenige Tage später hieß es, Kostunica habe 51,34 Prozent gewonnen. Wie sicher ist nun die absolute Mehrheit des Oppositionspolitikers. Sinisa Nikolic:

„Wenn man alle Dokumente sammelt, die Dos hat, und alle Stimmen der Albaner eliminiert, die offensichtlich die Wahlen boykottierten, hat Kostunica ohne Zweifel die absolute Mehrheit im ersten Wahlgang erzielt.“

Die Opposition ist bereit, einer Neuauszählung aller Stimmen zu akzeptieren, wenn sie unter internationaler Kontrolle erfolgt. Diese Forderung unterstützt auch die EU und die OSZE, die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa. Doch die Führung in Belgrad wird diesen Wunsch angesichts der Faktenlage wohl kaum erhören.

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