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Lage der Ungarn in Serbien

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Die etwa 300.000 Ungarn sind in Serbien die größte nationale Minderheit. Sie leben vor allem in der Vojvodina, die ihr Gepräge als Vielvölkerprovinz unter Maria Theresia erhielt. Sie siedelte verschiedenste Völker, darunter Deutsche und Ungarn in der Vojvodina an, um ein Bollwerk gegen die Türken zu schaffen. Während die Deutschen unter Tito am Ende des Zweiten Weltkrieges vertrieben wurden, wurden die Ungarn geduldet, erhielt die Vojvodina eine umfassende Autonomie. Diesen Status beseitigte Slobodan Milosevic, dessen großserbischer Nationalismus auch die Minderheiten unter Druck setzte. Nach dem Ende von Milosevic änderte Belgrad seine Politik und nun sitzen auch Vertreter der Minderheiten in der jugoslawischen und der serbischen Regierung. Zu ihnen zählt auch der Ungar Joszef Kasa, die stellvertretender Ministerpräsident unter Zoran Djindjic in der serbischen Regierung ist. Mit Joszef Kasa hat unser Balkankorrespondent Christian Wehrschütz über die Lage der Ungarn gesprochen und folgenden Bericht gestaltet:

Wenn der Ungar Joszef Kasa über die Vojvodina spricht, so verweist er zunächst auf die jahrhundertealte Tradition des friedlichen Zusammenlebens verschiedener Völker. So gebe es tierärztliche Bescheinigungen aus dem 18. Jahrhundert, die in fünf Sprachen verfaßt seine. Dieses Zusammenleben habe die Ära Milosevic erschwert, so daß aus politischen und wirtschaftlichen Gründen etwa 40.000 Ungarn Serbien verlassen hätten. Zu den Folgen der Ära Milosevic sagt Joszef Kasa:

„Ungarn waren in den vergangenen zehn Jahren unter massivem psychologischem Druck, verließen die Vojvodina und machten dadurch Platz für serbische Flüchtlinge aus der kroatischen Krajna. Noch schlimmer ist jedoch der Rückgang der Geburtenrate und die Veränderung der Alterspyramide in eine negative Richtung. So haben wir binnen zehn Jahren einen Rückgang der Ungarn um etwa zehn Prozent erlebt.“

Daher stimmten auch die etwa 100.000 wahlberechtigten Ungarn für Vojislav Kostunica und ermöglichten dessen knappen Sieg über Milosevic bei der Wahl des jugoslawischen Präsiden-ten. Joszef Kasa selbst wurde stellvertretender Ministerpräsident in der serbischen Regierung und das jugoslawische Parlament verabschiedete relativ rasch ein Gesetz zum Schutz der nationalen Minderheiten. Trotzdem wirft Kasa Belgrad vor, gegenüber Europa ein positives Bild zu zeichnen, das der Realität nicht entspreche:

„Konkret sieht das Minderheitengesetz die Bildung einer Nationalversammlung vor, wobei die Verordnung für die Wahl dieser Versammlung der Bundesminister für Minderheiten erlassen muss. Das ist auch geschehen, doch wurde dieser Verordnung nicht im Bundesgesetzblatt kundgemacht, damit dieses Gesetz auch angewendet werden kann.“

Unzufrieden ist Kasa auch mit dem neuen serbischen Radio- und Fernsehgesetz. Denn in jener Agentur, die über die Vergabe der Frequenzen entscheidet sitzt kein einziger Vertreter nationalen Minderheiten, die immerhin ein Drittel der Bevölkerung Serbiens ausmachen. Dazu sagt Joszef Kasa:

„Das ist leider ein anderes Beispiel. Man hat uns versprochen, dass auch ohne Vertretung in dieser Agentur nationale Minderheiten zu Frequenzen haben werden. Doch das wird die Zeit zeigen. Gewarnt durch die Erfahrungen mit dem Minderheitengesetz, das noch immer nicht mit Lebeen erfüllt wurde, bin ich ziemlich pessimistisch auch in dieser Richtung, dass nationale Minderheiten ihre eigenen Fernseh- und Radiofrequenzen haben werden.“

Erschwert wird die Lage der Minderheiten auch durch die chronische Finanznot in Serien. Zu spüren bekommt das auch die Vojvodina insgesamt. Zwar wurde ein sogenanntes Omnibus-Gesetz verabschiedet, das der Provinz einen Teil der Autonomie zurückgab, doch auch die Umsetzung dieses Gesetzes, kommen nicht zügig voran, sagt der stellvertretender serbische Ministerpräsident:

„Das Gesetz ist verabschiedet worden und könnte mit Leben erfüllt werden, aber es gibt kein Geld um das Gesetz anzuwenden. Daher ist es nur in kleinen Bereichen umgesetzt worden. Damit gilt auch für dieses Gesetz das gleiche wie für das Gesetz über die Minderheiten.“

Natürlich wird von den Ungarn und den Minderheiten insgesamt die politische Lage in Serbien genau beobachtet. Bei der Wahl des serbischen Präsidenten Ende September könnten die Minderheiten wieder eine wichtige Rolle spielen. Denn die beiden voraussichtlichen Hauptkonkurrenten liegen knapp bei einander. Auf die Frage, ob die Ungarn neuerlich für den serbischen Nationalisten und jugoslawischen Präsidenten Vojislav Kostunica oder für den pro-europäischen Reformer und stellvertretenden jugoslawischen Regierungschef Miroljub Labus stimmen werden, sagt Joszef Kasa:

„Die nationalen Minderheiten werden sich für jenen Kandidaten aussprechen, der in seinem Programm die Einbindung in die europäische Gemeinschaft vorsieht. Wir waren Teil Europas, doch leider haben uns die Zeiten von Kommunismus und Sozialismus, vor allem aber die Ära Milosevic von den entwickelten Strömungen Europas getrennt. Wir Vertreter nationaler Minderheiten suchen den einzig möglichen Ausweg ohne Blutvergießen. Und das sind die fortschrittlichen Kräfte, die wirklich für Demokratisierung und Dezentralisierung eintreten.“

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