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Interview mit Zoran Djindjic

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Zwei Jahre nach dem Sturz von Slobodan Milosevic bietet die Reformbilanz in Serbien und Jugoslawien ein gemischtes Bild. Die Umwandlung des Staates in die Union Serbien und Montenegro konnte noch immer nicht abgeschlossen werden und auch die Zusammenarbeit mit dem Haager Tribunal läßt zu Wünschen übrig. Aus diesen beiden Gründen ist auch die Aufnahme in den Europarat gescheitert. Innenpolitisch hat der Machtkampf zwischen Vojislav Kostunica und Zoran Djindjic die politischen Institutionen des Landes monatelang gelähmt. Auch die Präsidentenwahl ist an zu geringer Wahlbeteiligung gescheitert und wird nun am achten Dezember wiederholt. Trotzdem sind die bisher durchgeführten Wirtschafts-reformen beachtlich und auch die OECD hat Serbien ein recht positives Zeugnis ausgestellt, obwohl die ausländischen Direktinvestitionen noch gering sind. Über die Lage im Land hat unser Balkan-Korrespondent Christian Wehrschütz in Belgrad mit dem serbischen Minister-präsidenten Zoran Djindjic das folgende Interview geführt:

Herr Doktor Djindjic, die Präsidentenwahl ist im ersten Durchgang gescheitert, weil das Quorum nicht erreicht wurde. DOS hat jetzt für die Wiederholungswahl keinen Kandidaten aufgestellt. Damit ist wieder die Wahl eines serbischen Präsidenten in Frage gestellt. Wäre nicht für das Bild der Demokratie Serbiens schädlich, wenn jetzt diese Wahl wieder ins Wasser fällt, weil das Quorum nicht erreicht wird?

„Wir als Partei wurden kein einziges Mal richtig animiert, um jemanden 100prozentig zu unterstützen. Diesmal haben wir nicht einmal ein Angebot, jemanden zu unterstützen. Zu erwarten, dass jemand zu Wahlen geht, nur damit der Wahlvorgang gelingt und nicht weil er einen Kandidaten unterstützt, das ist ein Absurdum.“

Wie demokratisch ist eine Bestimmung in einem Wahlgesetz, nämlich die 50 Prozent Mehrheit plus eine Stimme für den ersten Durchgang, wenn man auf der anderen Seite genau weiß, dass es so viele tote Seelen gibt in den Wählerlisten. Und zweitens, wenn man praktisch durch das Nichtvorhandensein von Wahlkarten oder Briefwahlen eigentlich vielen Menschen es sehr erschwert zur Wahl zu gehen?

„Das sind alles Mängel der Institutionalisierung in diesem Land und die existieren seit immer. Was die Wahllisten angeht, das ist die Angelegenheit der lokalen Gemeinden und alle Parteien, die jetzt Kandidaten haben, waren beteiligt an den Regierungen oder sind beteiligt. Die können diese toten Seelen herausstreichen, die können diese Wahllisten in Ordnung bringen. Das ist nicht die Aufgabe der Regierung. Es gibt einen Zusammenhang zwischen der Art wie jemand abgesetzt wird und der Art wie jemand gewählt wird. Wenn die Kriterien für jemanden, abgewählt zuwerden, sehr hoch sind, dann kann er nicht aufgrund viel milderer Kriterien gewählt werden. Wenn man das jetzt so demagogisch politisiert, dass wenn wir keinen Präsidenten haben, existiert Serbien nicht mehr. Wenn der Präsident so wichtig ist, wieso konnte Serbien diese Reformen durchführen mit dem Präsidenten, der auf der Haager Liste war.“

Wenn man den Wahlkampf in der ersten Präsidentenwahl anschaut, dann haben eigentlich die Kandidaten relativ gesehen am besten abgeschnitten, die die serbische Regierung massiv angegriffen haben. In wie weit kann hier eine Regierung überhaupt gegensteuern, dass sie auch wirklich ihre positiven Leistungen darstellen kann, die es in Serbien zweifellos gibt?

„Was mich irritiert, sind die verpassten Chancen. Den Menschen klarzumachen, dass die Reformen einen historischen Charakter haben, dass sie schmerzhaft sind, dass sie kosten. Dass es eine Investition in die Zukunft unsrer Kinder ist. Natürlich sind diejenigen, die unzufrieden sind mehr motiviert, zu Wahlen zu gehen, als diejenigen, die zufrieden sind. Ich würde daraus nicht schließen, dass mehr unzufriedene als zufriedene gibt. Nach zwei Jahren sehr radikaler Transition, dass da nicht einmal eine Mehrheit gegen die Regierung zu organisieren ist, ist ein gutes Anzeichen. Die Blockade ist auf der föderalen Ebene zu suchen, zunächst einmal Montenegro-Serbien, dann die Kooperation mit dem Haager Tribunal. Das sind die zwei Elemente, die unsere internationale Integration verlangsamt haben. Auf der anderen Seite, wenn die den OSCE-Bericht lesen über die wirtschaftliche Lage, dann sehen sie, dass wir in Serbien ein sehr gutes Jahr hatten. Wir haben die Inflation von 40 auf 15 Prozent gesenkt. Wir haben vier Prozent Wachstum des Bruttosozialproduktes. Wir haben 500 Millionen Dollar an Direktinvestitionen. Wir haben beschleunigende Privatisierung. Ich bin sicher, dass es 2003 noch besser geht und ich hoffe, dass auch diese Blockade auf der föderalen Ebene endlich einmal entfernt wird. Das wir 2003 auch als internationalen Erfolg verbuchen können.“
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