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Verfassung Serbien und Montenegro

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Berichte Serbien
Mitte März haben die beiden jugoslawischen Teilrepubliken Serbien und Montenegro ver-einbart, das bisherige Jugoslawien für tot zu erklären und durch eine lose Union mit dem Namen Serbien und Montenegro zu ersetzen. Nicht zuletzt unter dem Durck der EU mußten die Unabhängigkeitsbefürworter in Montenegro einer Verschiebung eines Referendums um drei Jahre zustimmen. Im Gegenzug mußte Serbien die weitgehende wirtschaftliche Unab-hängigkeit des kleinen Partners hinnehmen. Vereinbart wurde auch die Einsetzung einer Kommission, die die politische Einigung in eine neue Verfassung umwandeln soll. Diese Gremium trifft heute in Belgrad zum zweiten Mal zusammen. Über seine Aufgaben und die Probleme der neuen Staatsbildung hat unser Balkan-Korrespondent Christian Wehrschütz folgenden Bericht gestaltet:

Die Verfassungskommission hat die Aufgabe, die politische Vereinbarung mit Leben zu erfüllen, die in Belgrad die Vertreter des jugoslawischen Gesamtstaates, der beiden Teil-republiken und für die EU Javier Solana, der Beauftragte für die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik unterzeichnet haben. Die Vereinbarung sieht vor, daß der neue Staat über Präsident, Parlament, eine Regierung mit fünf Ministern, einen Gerichtshof und Streitkräfte verfügt. Welche Zuständigkeiten jede einzelne dieser Institutionen haben soll, darüber muß sich die Kommission einigen. Bei den Beratungen der Kommission ist für die EU der öster-reichische Diplomat Stefan Lehne als Vermittler im Einsatz. Zu den Hauptstreitpunkten in der Kommission zählt Lehne:

„Ein Schlüsselproblem ist der Wahlmodus für das neue Parlament. Hier vertritt Montenegro die Auffassung, dass das indirekt von Republiksparlamenten gewählt werden sollte. Während Belgrad, und zwar sowohl die Bundesebene als auch die serbische Regierung, sehr stark die Meinung vertritt, dass das direkte Wahlen sein sollen. Eine andere Frage, die Probleme bereiten könnte, ist der Kompetenzumfang dieser neuen Ministerien. Also die Abgrenzung der Kompetenzen zwischen Bundesebene, oder der Ebene des Gesamtstaates, und den Republiken.“

Diese Fragen sind deshalb so umstritten, weil die Unabhängigkeitsbefürworter in Montenegro natürlich nur einen schwachen Gesamtstaat wollen, um die Chance auf eine Loslösung in drei Jahren doch noch zu wahren. Doch auch Serbiens Ministerpräsident Zoran Djindjic ist für einen minimalen Gesamtsstaat, um seinen politischen Gegner, den jugoslawischen Präsiden-ten Vojislav Kostunica, weiter schwächen zu können. Diese Gegensätze spiegeln natürlich auch die Verfassungskommission wider, die mit Vertretern der jeweiligen politischen Strö-mungen besetzt ist. Obwohl die Machtkämpfe in Montenegro und in Serbien die Ausarbeitung der neuen Verfassung bereits verzögert haben und auch noch weiter verzögern können, ist Stefan Lehne dennoch optimistisch:

„Trotzdem haben wir aufgrund der Gespräche hier den Eindruck, dass alle wesentlichen politischen Figuren und Parteien sich mit dem Konzept identifizieren. Nicht weil es ihnen so wunderbar gefällt, sondern weil sie in der konkreten Situation keine plausible Alternative dazu sehen und alle sind der Meinung, dass eine rasche Umsetzung in jedem Interesse ist, weil dieses Land auch viele andere Probleme hat. Eine Klärung seiner Identität als Staat ist eine Voraussetzung dafür, dass diese schwierigen Fragen effizient gelöst werden können.“

Daher glaubt Lehne, daß es schließlich auch zu einer Strategie für die Harmonisierung der Volkswirtschaften Montenegros und Serbiens kommen wird. Denn beide Teilrepubliken streben nach einer Integration in die EU; doch Brüssel ist erst bereit über ein Stabilisierungs- und Assoziationsabkommen zu verhandeln, wenn sich Montenegro und Serbien auf eine der-artige Strategie geeinigt haben und der neue Staat Wirklichkeit geworden ist. Der Druck der EU könnte somit dazu führen, daß dieser neue Staat zwar schwach aber trotzdem lebensfähig ist, und die Desintegration auch im ehemaligen Jugoslawien von einer neuen Integration unter dem Dach der EU abgelöst wird.
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