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Menschenschmuggel, Serbien und Ferrero-Waldner

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Beim Kampf gegen die Organisierte Kriminalität am Balkan steht vor allem der Kampf gegen Drogenhandel und Menschenschmuggel im Vordergrund. Während der Balkan bei der Drogenkriminalität jedoch vor allem Durchgangsstation ist, ist das beim Menschenschmuggel anders. So landen viele Frauen als Zwangsprostituierte im Kosovo und in Bosnien, wo auch Tausende Soldaten der internationalen Friedens-truppe stationiert sind. Doch neben Frauen aus Osteuropa werden auch Frauen aus den armen Staaten des ehemaligen Jugoslawien Opfer von Menschhändlern. Für jene Opfer, die entkommen konnten, betreibt die IOM, die Internationale Organisation für Migration, im ehemaligen Jugoslawien sichere Frauenhäuser. Ein derartiges Haus besteht auch in Belgrad und wird maßgeblich vom Außenministerium in Wien finanziert. Bei ihrem heutigen Besuch in Belgrad, hat Außenministerin Benita Ferrero-Waldner daher nicht nur die serbische Führung getroffen. Vielmehr hat sie auch mit der IOM sowie mit Frauen gesprochen, die Opfer des Menschenhandels geworden sind. Mit dem Schicksal dieser Opfer, mit ihrem Leben im Frauenhaus und mit dem Kampf der serbischen Polizei gegen den Frauenhandel hat sich auch unser Balkan-Korrespondent Christian Wehrschütz befasst und folgenden Bericht gestaltet:

Seit Jänner 2002 betreibt die IOM, die Internationale Organisation für Migration, auch in Belgrad ein Frauenhaus. Knapp 130 Opfer von Menschenhändlern haben bisher eine Unterkunft gefunden. Die meisten Frauen stammen aus Osteuropa, doch auch Serbinnen sind darunter. Dazu zählt Lydia, die aus der Vojvodina stammt:

„Ich bin 23 Jahre alt, in Zrenjanin geboren und ohne Eltern aufgewachsen. Der Vater ist gestorben, die Mutter lebt zwar, doch ich will nichts von ihr und sie nichts von mir wissen. Das erste Mal haben wir einander vor drei, vier Jahren getroffen. Ich habe zwei ältere Brüder, weiß aber nicht wo sie sind.“

Lydia lebte bis zum 18. Lebensjahr im Waisenhaus; knapp danach verkaufte sie ihre beste Freundin an Menschenhändler; Kaufpreis zwischen 250 und 500 Euro:

„Sie fragte, ob ich in Bosnien arbeiten möchte, sagte, dass das Gehalt zwischen 250 und 500 Euro sein wird. Ich hatte keine Wahl, denn ich stand auf der Straße und habe daher angenommen und ging nach Bosnien, obwohl ich nicht wusste, worum es sich handelt. Geld habe ich nie gesehen, doch als ich in eine Art Restaurant kam und die nackten Mädchen sah, wusste ich worum es sich handelt.“

Ein Jahr Bosnien, mehrere Monate Kroatien und ein halbes Jahr Mazedonien hat Lydia hinter sich. Pro Tag bis zu 15 Männern musste sie über sich ergehen lassen, ehe ihr doch die Flucht gelang. Seit einem Jahr lebt sie in Belgrad im Frauenhaus, in dem derzeit noch drei Frauen aus Moldawien und zwei aus Rumänien wohnen. Mit ihnen gesprochen hat heute auch Österreichs Außenministerin Benita Ferrero-Waldner:

„Wenn man die Schätzungen jährlich anschaut: Das sind ungefähr 120.000 Menschen Opfer von Menschenhändlern. Hier muss man dagegen ankämpfen. Es daher unsere Verpflichtung, ein Art Frauenhaus zu bieten, als sichere Unterkunft. Aber auch als eine Stätte, wo ärztliche und psychologische Betreuung für die Frauen ermöglicht wird.“

Mit 150.000 Euro pro Jahr unterstützt Österreich das Frauenhaus. Damit finanziert werden nicht nur die Unterkunft, sondern auch Nähkurse, damit die Frauen eine sinnvolle Beschäftigung haben, denn sie dürfen das Haus nur selten und unter Aufsicht verlassen. Lydia selbst besucht eine Schule für Frauenberufe; sie ist am längsten im Frauenhaus, denn die durchschnittliche Aufenthaltsdauer beträgt knapp einen Monat. Die Internationale Organisation für Migration finanziert auch die Rückkehr und hilft bei der Reintegration. Knapp 5.000 Frauen hat IOM seit dem Jahre 2000 am Balkan und in Osteuropa betreut. Warum die meisten Opfer aus dieser Region stammen, erläutert der stellvertretende Chef der serbischen Grenzpolizei Dusan Zlokas so:

„In Moldawien beträgt der Durchschnittsverdienst 20 Euro. Es ist daher normal, dass durch Versprechen eines besseren Lebens, wo man als Babysitter, Friseurin, Putzfrau oder ähnliches arbeiten kann, viele Frauen betrogen werden, die dann zu Opfern des Menschenhandels werden.“

Zlokas betont, dass die meisten Opfer nicht über die grüne Grenze kommen; vielmehr reisen sie mit erschlichenen Visa oder gefälschten Papieren ein. Im Kampf gegen Frauenhandel und Prostitution, die in Serbien verboten ist, hat die Polizei allein in Belgrad vergangenes Jahr mehr als 70 Begleitagenturen geschlossen. Opfer wurden ins Frauenhaus gebracht, doch sie sind immer schwerer zu finden, weil zunehmend Privatquartiere genutzt werden. Hinzu kommt, dass die Polizei mit Korruption auch in den eigenen Reihen zu kämpfen hat. Das gilt nicht nur für Serbien. So hatte Lydia etwa in Bosnien auch Polizisten zu Willen zu sein, die um ihr Schicksal wussten. Ihren Leidensweg beenden konnte Lydia an der bosnisch-kroatischen Grenze, weil ihr Bewacher unaufmerksam war und weil Frauenhäuser existieren, die Zuflucht und Sicherheit bieten.

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