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Im jugoslawischen Bundesparlament beginnt nun das Werben um die Abgeordneten der montenegrinischen Sozialistischen Volks-partei SNP. Die SNP war bisher Koalitionspartner der Milose-vic-Parteien; doch diese Partei ist nun auch bereit, mit dem Bündnis DOS von Präsident Vojislav Kostunica zu koalieren. Erschwert wird die Verhandlung über die Bildung einer neuen jugoslawischen Regierung noch durch den Umstand, daß im Bundesparlament noch nicht alle Mandate bestätigt worden sind. Grund dafür ist der Vorwurf des Wahlbetruges, vor allem was die Abgeordneten aus dem Kosovo betrifft. Über die Ausgangs-lage für die Regierungsbildung informiert aus Belgrad Christian Wehrschütz:

Die jugoslawische Bundesverfassung legt zunächst fest, daß Bundespräsident und Ministerpräsident nicht aus derselben Teilrepublik stammen können. Da Vojislav Kostunica Serbe ist, fällt das Amt des Regierungschefs automatisch einem Montene-griner zu. Anspruch auf dieses Amt erhebt die SNP, die Sozial-istische Volkspartei Montenegros, die bisher auch mit ihrem Vorsitzenden Momir Bulatovic den Ministerpräsidenten stellte. Bulatovic, ein treuer Gefolgsmann von Slobodan Milosevic, hat bisher keine Stellungnahme zur Revolution in Jugoslawien ab-gegeben. Seine Chancen auf ein Weiterverbleiben im Amt sind praktisch Null. Denn nach der Verfassung nominiert der jugo-slawische Präsident, also Vojislav Kostunica, nach Rücksprache mit den Parlamentsfraktionen, den Ministerpräsidenten. Trotz-dem haben die montenegrinischen Sozialisten gute Chancen, diesen Posten zu behalten. Denn wegen des Wahlboykotts der pro-westlichen Regierungsparteien Montenegros ist die SNP die stärkste Einzelpartei in beiden Kammern des Parlaments. In der Republikskammer hat sie 19 der 20 montenegrinischen Mandate und in der Bürgerkammer 28. Da eine Koalition zwischen den Milosevic-Parteien und der Parteienallianz DOS, der Demo-kratische Opposition Serbiens, ausgeschlossen ist, liegt der Schlüssel für die Regierungsbildung weitgehend in den Händen der SNP. Unübersichtlich werden diese Mehrheitsverhältnisse jedoch durch den Umstand, daß erst 119 der 138 Mandate des Unterhauses unumstritten sind. DOS hat unter dem Vorwurf des Wahlbetruges 19 Mandate aus dem Kosovo beeinsprucht, die vor allem Milosevics Sozialisten zugefallen sind; werden diese Mandate nicht anerkannt oder Nachwahlen ausgeschrieben kann sich der Zeitplan für eine neue Bundesregierung verzögern. Kostunica ist jedenfalls bestrebt noch in dieser Woche eine neue Regierung präsentieren zu können. Erschwert wird diese Regierungbildung aber auch dadurch, daß der montenegrinische Präsident Milo Djukanovic und seine Dreiparteien-Koalition einen von der SNP gestellten jugoslawischen Regierungschef nicht akzeptieren wollen. Kostunica muß somit bei der Nomi-nierung eines Ministerpräsidenten nicht nur die Kräftever-hältnisse im Parlament, sondern auch die heiklen Beziehungen zwischen den montenegrinischen Parteien sowie das gespannte Verhältnis zwischen Serbien und Montenegro berücksichtigen. Den Milo Djukanovic hat bisher nur den Wahlsieg von Kostnica über Milosevic, nicht aber Kostunica als jugoslawischen Prä-sidenten anerkannt. Als Lösung dieser komplizierten Situation bieten sich drei Möglichkeiten an: ein Kompromiß zwischen allen Beteiligten und damit die Bildung einer stabilen Re-gierung unter Ausschluß der Milosevic-Parteien. Als zweite Möglichkeit ist die Einsetzung einer Experten-Regierung zu nennen, die sich jedoch nicht auf eine stabile Parlaments-mehrheit stützen könnte. Drittens sind auch Neuwahlen möglich. Denn die Bundesverfassung legt fest, daß das Parlament aufge-löst wird, wenn binnen 90 Tagen keine Regierung gebildet werden kann. Diese Bestimmung gibt Kostunica ein subtiles Druckmittel in die Hand; denn Neuwahlen würden wohl in Serbien die Milosevic-Parteien ebenso schwächen wie die SNP in Monetenrgo; denn ein neuerlicher Wahlboykott der montenegri-nischen Regierungsparteien würde wohl am Veto des Westens scheitern, von dessen finanzieller Unterstützung Montenegro abhängig ist.

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