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Kinder und soziale Lage in Serbien

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„Nach zehn Jahren Isolation sind wir praktisch bankrott“ – so hat der serbische Ministerpräsident Zoran Djindjic in einem Interview die Lage seines Landes nach dem Ende der Ära Milosevic beschrieben. Zwar soll Serbien in den kom-menden Monaten und Jahren eine umfassende Finanzhilfe der EU in ihrer Mit-glieder erhalten; doch derzeit die soziale Lage vieler Serben ist sehr schlimm, auch wenn die offiziellen Zahlen nicht immer die Realität widerspiegeln, denn viele Bürger halten sich mit zwei oder drei Berufen über Wasser. Von der Krise am meisten betroffen sind die Kinder. Die österreichische Bundesregierung hat daher für 160 Kinder in Serbien ein Sommerlager finanziert, das das „Hilfswerk Austria“ organisiert hat. Unser Mann in Belgrad, Christian Wehrschütz, hat das Sommerlager besucht und folgenden Bericht über die soziale Lage in Serbien gestaltet:

Dieses deutsche Kinderlied haben bisher alle Teilnehmer am Sommerlage in Zlatar im Südosten Serbiens gelernt. Drei Gruppen zu jeweils etwa 50 Kinder haben hier auf 1200 Metern Seehöhe die Möglichkeit einen zweiwöchigen Urlaub zu verbringen. Acht Lehrer und eine Krankenschwester betreuen die Kinder. Es wird viel gewandert, gesungen und Sport betrieben. Das zählt auch Schwimmen im Bassin des Hotels. Als Betreuer beaufsichtigt hier die Kinder der 23-jährige Sportstudent Alexandr Vujicic. Über seine Schützlinge sagte er:

„Die Kinder bekommen hier Schwimmunterricht. Denn wir haben hier viele Kinder, die aus Familien kommen, die bisher keine Möglichkeit hatten Schwimmen zu lernen. Einige Kinder haben überhaupt den ersten Kontakt mit dem Wasser; mit ihnen ist es sehr schwer zu arbeiten; denn sie müssen erst die Angst vor dem Wasser überwinden, ehe wir mit dem Unterricht beginnen können.“

Das Sommerlager in Zlatar kostet insgesamt 350.000 Schilling. Zugute kommt das Geld Kindern im Alter von 7 bis 15 Jahren, die aus drei sozialen Gruppen stammen: Behinderte, Flüchtlinge und Waisen, sie alle kommen aus tristen Ver-hältnissen. Gemeinsam sind diese Gruppen ein bezeichnendes Beispiel für die sozialen Probleme; so gibt es in Serbien eine Million Behinderte, das entspricht mehr als 10 Prozent der gesamten Bevölkerung; mitverantwortlich für diese große Zahl sind die Kriege in Slowenien, Bosnien, Kroatien und im Kosovo, die viele Serben zu Invaliden machten. Doch trotz dieser großen Zahl sind die Be-hinderten eine soziale Randgruppe, denn für behindertengerechte Einrichtungen oder Verkehrsmittel fehlt auch weiter das Geld. Zu den Randgruppen zählen auch die 5.000 Waisen Serbiens; jeweils die Hälfte von ihnen lebt bei Pflege-eltern und in den 44 Waisenhäusern. Für Waise und Behinderte hat Österreich fünf Millionen Schilling bereitgestellt und das Hilfswerk Austria beauftragt, ge-eignete Projekte durchzuführen. Saniert werden mit diesem Geld – so Vendi Pivodic vom Hilfswerk - folgende Einrichtungen:

„Zwei Waisenhäuser für kleine Kinder, für Babys und für Jugendliche. Dann haben wir zwei Schulen für Behinderte. Und eine Anstalt für Querschnittgelähmte Kinder, wo die Kinder quasi ganztags untergebracht sind, inklusive Schule für diese Kinder.“

Angekauft werden dabei auch Kücheneinrichtungen für diese Heime sowie Schreibmaschinen und Lesegeräte für sehbehinderte Kinder.

Besonders belastet wird Serbien auch dadurch, daß jeder zehnte Bewohner Flüchtling oder Vertriebener ist. Aus Bosnien-Herzegowina und Kroatien sind wegen der Kriege 450.000 Serben nach Serbien geflüchtet. Nicht wenige leben nach wie vor in Notunterkünften oder Flüchtlingslagern. Hinzu kommen die Vertriebenen aus dem Kosovo. Die jüngst erfolgte Registrierung durch die UNO ergab, daß Serbien etwa 190.000 Nicht-Albaner aus dem Kosovo aufgenommen hat. Gemeinsam prägen all diese Gruppen das Bild vom Armenhaus Serbien, das

Sozialministerin Gordana Matkovic so beschreibt:

„Ein Drittel der Haushalte in Serbien, das sind etwa drei Millionen Bürger leben unter der Armutsgrenze; extrem arm sind etwa 200.000 Familien.“

Extrem arm ist dabei eine Person, die mit etwa 500 Schilling im Monat auskom-men muß. Auch wenn viele Serben schwarz arbeiten, in der Schattenwirtschaft tätig sind, ihre Einkommen nicht deklarieren und so die Statistik verfälschen sind zwei Tatsachen unbestritten: Armut und Wirtschaftskrise sind die großen Herausforderungen für die neue demokratische Führung, und zweitens war für nicht wenige der 160 Kinder das Sommerlager in Zlatar der erste Urlaub ihres Lebens und damit auch eine positive Werbung für Österreich.

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