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Serbische Präsidentin Natasa Micic in Wien

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Die amtsführende serbische Präsidentin Natasa Micic ist heute zu einem eintägigen Arbeitsbesuch in Wien. Micic wird mit Bundespräsident Thomas Klestil, Bundeskanzler Wolfgang Schüssel und Nationalratspräsident Andreas Khol zusammentreffen. Diese Treffen entsprechen auch der politischen Funktion von Natasa Micic. Sie ist eigentlich Präsidentin des serbischen Parlaments; daß Amt des Republikspräsidenten bekleidet sie nur, weil die Präsidentenwahl in Serbien zwei Mal an zu geringer Wahlbeteiligung gescheitert ist. Trotzdem hat Micic gerade in dieser Funktion jüngst eine Schlüsselrolle gespielt. Denn nach dem Mord an Ministerpräsident Zoran Djindjic hatte Micic den Ausnahmezustand zu verhängen, der eine umfassende Abrechnung mit den Attentätern und der Organisierten Kriminalität in Serbien eingeleitet hat. Mit Natasa Micic hat vor ihrer Abreise nach Wien unser Balkan-Korrespondent Christian Wehrschütz gesprochen und folgenden Beitrag gestaltet:

Natasa Micic hat als Parlamentspräsidentin und amtsführende serbische Präsidentin zwei politische Funktionen in Serbien inne, die weit über die Größe ihrer Partei hinaus reicht. Micics Partei, die Bürgerunion, hat im Parla-ment nur neun Sitze, zählt aber in der Regierungskoalition DOS zu den Parteien mit großem geistigem Potential. Vorsitzender der Bürgerunion ist Außenminister Goran Svilanovic und auch die Bürgermeisterin von Belgrad gehört dieser Partei an. Natasa Micic selbst, ist die erste Frau in Serbien, die derart hohe Funktionen erreicht hat. Wegen ihres Aussehens wurde sie oft mit der Schauspielerin Nicole Kidman verglichen und eher als politisches Leichtgewicht belächelt. Trotzdem hat sie in der schwierigen Lage nach dem Mord an Zoran Djindjic keine Fehler gemacht und auch die Parlamentssitzungen werden von ihr umsichtig geleitet. Zur Rolle der Frau in der serbischen Politik sagt sie:

„Jetzt haben Frauen eine weit größere Beteiligung an der Macht und können ihre Interessen viel besser vertreten als das früher der Fall war. Im Parlament ist der Frauenanteil jetzt bei 12 bis 13 Prozent, das ist nicht sehr viel, aber fünfmal mehr als in der vergangenen Parlamentsperiode.“

Zufrieden ist Micic mit der bisherigen Arbeit des Parlaments; seit dem Sturz von Slobodan Milosevic vor mehr als zwei Jahren seien 150 Gesetze verabschiedet worden. Das Parlament habe den rechtlichen Rahmen für rasche Reformen in Serbien geschaffen, wobei der Mord an Zoran Djindjic, so tragischer er sei, diesen Prozeß noch zu-sätzlich beschleunigt habe. Dementsprechend positiv beurteilt Micic auch die Zeit des Ausnahmezustandes, den sie vor etwa zwei Wochen wieder aufgehoben hat:

„Diese 42 Tage des Ausnahmezustands haben Serbien für immer verändert und zwar zum besseren. Es wurde ein entscheidender Schlag gegen die Kriminalität geführt, gegen die unmittelbar ausführenden des Attentats. Doch nicht nur dieses Verbrechen wurde aufgeklärt, sondern auch viele andere. Die Mehrheit der Verbrecher wurde der Gerechtigkeit übergeben und wir haben in dieser schwierigen Lage in dieser Krise gezeigt, dass wir ein ernstzunehmender Staat sind und das wir einen entschlossenen Schlag gegen die Überreste des verbrecherischen Apparats von Slobodan Milosevic geführt haben.“

Die größte Aufgabe des Parlaments wird nun die Verabschiedung einer neuen serbischen Verfassung sein. Das ist notwendig, weil die alte Verfassung noch aus der Ära Milosevic stammt und die Verfassung den neuen Gegebenheiten angepaßt werden muß, die mit der Umwandlung Jugoslawiens in den Staatenbund Serbien und Montenegro geschaffen wurden. Beschlossen hat das Parlament bereits ein Durchführungsgesetz; es sieht wegen der knappen Mehrheit der DOS-Koalition und wegen des Machtkampfs mit der DSS, der Partei von Vojislav Kostunica vor, daß die Verfassung nur mit einfacher Mehrheit beschlossen werden wird. Dazu sagt Natasa Micic:

„Es wäre auf jeden Fall besser, wenn wir die Verfassung mit einer Zwei-Drittel-Mehrheit verabschieden hätten können, weil das eine größere Legitimität gewährleistet hätte. Doch wir haben diese Möglichkeit derzeit nicht, weil eine der großen Parteien, die DSS, Aus der Koalition ausgeschieden ist und daher wäre es schwer gewesen, diese Mehrheit zu erreichen. Daher werden wir die Verfassung mit einfacher Mehrheit verabschieden und dann ein Referendum darüber abhalten.“

Trotz des Referendums könnte diese einfache Mehrheit einst noch negative Folgen für die Demokratie in Serbien haben. Dessen ist sich auch Natasa Micic bewußt. Doch ein Kompromiß zwischen DOS und Vojislav Kostunica ist nicht in Sicht. Kostunica hat bei den beiden gescheiteren serbischen Präsidentenwahlen jedesmal klar die meisten Stimmen erzielt. Mit dem neuen Staatenbund hat Kostunica auch sein Amt als jugoslawischer Präsident verloren. Um seinen Einfluß noch weiter zu schwächen tritt Micic dafür ein, den serbischen Präsidenten nicht mehr durch das Volk wählen zu lassen:

„Das Übergewicht und die Vorherrschaft muss das Parlament haben als zentrale demokratische Institution. Der Präsident der Republik soll eine protokollarische Funktion haben. Daher ist es ausreichend, dass er durch das Parlament und nicht durch das Volk gewählt wird. Dafür spricht auch die Erfahrung anderer europäischer Länder. Außerdem ist in Serbien die Präsidentenwahl zweimal gescheitert, das hat dem Ansehen unseres Landes ziemlich geschadet. Doch das war auch ein Signal unserer Bürger, dass sie nicht ausreichend an der Wahl interessiert sind.“

Ob diese Strategie aufgeht, werden die Parlamentswahlen zeigen, die spätestens im Herbst 2004 fällig sind. Ent-scheidend wird sein, ob die Regierung ihre derzeit große Popularität in Serbien durch eine drastische Verbes-serung des Lebensstandards wird halten können. Gelingt das nicht, werden auch derartige Schachzüge nichts helfen, wobei von einer Abwahl der Regierung nicht zwangsläufig Kostunica, sondern auch andere, unver-brauchtere Parteien profitieren könnten.
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