Serbien vor der Stichwahl
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Am sicheren Sieg von Vojislav Kostunica bei der Stichwahl besteht deshalb kein Zweifel, weil er weit mehr Wählerreserven hat als der Reformpolitiker Miroljub Labus. Kostunica kann auch auf Wähler zählen, die vor zwei Wochen für nationalistische Kandidaten gestimmt haben, die nicht in die Stichwahl gekommen sind. Besonders umworben hat Kostunica die Wähler von Vojsilav Seselj, der mit 23 Prozent nur knapp hinter Labus am dritten Platz lag. Das Verhalten dieser Wähler ist unklar. Denn Seselj hat zum Boykott des zweiten Wahlgangs aufgerufen und seine Wählerschaft ist an sich sehr diszipliniert. Doch der Widerstand gegen eine Wiederholung der Wahl und nicht zuletzt Aufrufe der orthodoxen Kirche, doch zur Wahl zu gehen, könnte auch auf Seseljs Wählerschaft ihre Wirkung nicht verfehlen. Unklar ist auch das Verhalten der reformorientierten Labus-Wähler. Labus wußte um seine Chancenlosigkeit und hat für die Stichwahl praktisch keinen Wahlkampf geführt; auch Ministerpräsident Zoran Djindjic hat mit mehreren Aussagen indirekt eher zum Wahlboykott aufgerufen. Scheitert die Wahl, weil die gesetzlich vorgeschriebene Wahlbeteiligung von mehr als 50 Prozent nicht erreicht wird, gewänne Djindjic Zeit, denn dann müßte die gesamte Wahl wiederholt werden. Ist die Wahl gültig und siegt wie erwartet Vojislav Kostunica, so will dieser seinen Haupt-gegner Djindjic stürzen und vorgezogene Parlamentswahlen herbeiführen.. Die Wahllokale schließen in Serbien um 20 Uhr; Ergebnisse werden für heute Nacht erwartet.