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Haager Tribunal Sitzung

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In Belgrad wird das Tauziehen um die Auslieferung von Slobodan Milosevic an das Haager Tribunal immer stärker. Ein Gesetz, das die Auslieferung jugoslawischer Staatsbürger an das Tribu-nal ermöglicht, hätte heute auch auf der Tagesordnung des Bun-desparlaments in Belgrad stehen sollen. Doch die Sitzung wurde auf morgen verschoben, weil die jugoslawische Koalitionsregie-rung noch immer keinen gemeinsamen Nenner gefunden hat. Die serbische Parteienallianz DOS ist für die Auslieferung, die montenegrinische SNP ist strikt dagegen. Vor allem die Allianz DOS steht unter massivem Zeitdruck; denn am 29. Juni soll in Brüssel die Geber-Konferenz für Jugoslawien stattfinden. Die USA wollen diese Konferenz jedoch boykottieren, sollte nicht zuvor in Belgrad das Gesetz über die Zusammenarbeit mit dem Haager Tribunal verabschiedet sein; auch der erfolgreiche Abschluß der Umschuldungsverhandlungen hängt von dem Beschluß dieses Gesetzes ab. Serbien ist von diesen beiden Fragen weit stärker betroffen als die vielkleinere jugoslawische Teilre-publik Montenegro, in der die Unabhängigkeitsbefürworter re-gieren, die gleichzeit auch zu einer umfassenden Zusammenar-beit mit dem Haager Tribunal bereit sind. Aus Belgrad berichtet Christian Wehrschütz

Der Gesetztesentwurf über die Zusammenarbeit mit dem Haager Tribunal sieht vor, daß die endgültige Entscheidung über die Auslieferung, bei den Regierungen der Teilrepubliken, also bei Serbien und Montenegro liegt. Diese juristisch zweifelhafte Bestimmmung ist ein Zugeständnis der serbischen Allianz DOS an den montenegrinischen Koalitionspartner SNP. Trotzdem stimmte die SNP in der Bundesregierung gegen den Gesetzesentwurf, der somit dem Bundesparlament nur durch die Stimmenmehrheit der DOS-Minister zugewiesen werden konnte. Die SNP war früher der getreue Koalitionspartner von Slobodan Milosevic; sie will, daß das Bundesparlament nur ein Rahmengesetz über die Zusam-menarbeit mit dem Haager Tribunal verabschiedet, während die Frage der Auslieferung auf der Ebene der Teilrepubliken geregelt werden soll. Im Bundesparlament ist die Allianz DOS jedoch auf die Stimmen der SNP-Abgeordneten angewiesen. Die Parlamentssitzung wurde daher auf morgen verschoben, um noch Zeit für Verhandlungen zu haben. Zu den Folgen eines Scheiterns dieses Gesetzes im Bundesparlament sagt der Jurist und einflußreiche DOS-Politiker Dragor Hiber:

„Eine Kettenreaktion oder ein Dominoeffekt von Rücktritten von DOS-Ministern könnte die Bundesregierung gefährden und schließlich zu Fall bringen. In einem derartigen Szenario sehe keine Möglichkeit für neue Bundeswahlen und das bedeutete den Anfang vom Ende der derzeitigen jugoslawischen Föderation.“

Denn in Montenegro würden die Unabhängigkeitsbefürworter all-fällige Bundeswahlen wohl neuerlich boykottieren, so daß Wahlen an der Pattsituation nichts ändern würden.

In Serbien wehren sich vor allem jene DOS-Politiker, die Jugo-slawien erhalten wollen gegen eine umfassende Übernahme der Auslieferungskompetenz. Denn diese Zuständigkeit zählt zu den wenigen, die der Föderation noch verblieben sind; außerdem müßte ein derartiges Gesetz in Serbien von Präsident Milan Milutinovic unterzeichnet werden, der vom Haager Tribunal ebenfalls der Kriegsverbrechen beschuldigt wird.

Aus Ausweg aus der verfahrenen Situation wird überlegt, das die Bundesregierung Auslieferungen per Verordnungen auf der Grundlage des Status des Haager Tribunals direkt regelt. Denn durch die UNO-Mitgliedschaft habe Jugoslawien auch dieses Statut in seine Rechtsordnung übernommen, lautet die Argu-mentation. Unabhängig von der konkreten juristischen Form macht der serbische Ministerpräsident Zoran Djindjic jedoch klar, daß es zur Auslieferung kommen muß:

„Die politische Entscheidung lautet: werden 10 Millionen Bür-ger, ihre Nachfahren, Kinder und Enkel den Preis für den Schutz von Milosevic zahlen. Oder werden wir diese Entschei-dung treffen, die die Rückkehr unseres Landes in die Weltge-meinschaft bedeutet; diesen Preis, hat jeder zu zahlen in der Welt, wenn er die Verpflichtungen akzeptiert, die auch für andere Länder gelten. Das ist eine sehr einfache Alternative und wir in der Allianz DOS müssen Stellung beziehen.“

Mit anderen Worten: Slobodan Milosevic wird noch heuer seine Zelle in Belgrad mit einer in Den Haag vertauschen; auf welcher Rechtsgrundlage dies geschehen wird ist derzeit noch ebenso offen wie die Folgen, die dieser Konflikt in der Bundesregierung für die weitere Entwicklung Jugoslawiens haben wird.

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