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Milosevic als Straßenfeger

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Slobodan Milosevic steht nun seit mehr als einer Woche vor Gericht in Den Haag. Der frühere jugoslawische Präsident muß sich wegen Kriegsverbrechen und Völkermordes im Kosovo, in Kroatien und in Bosnien verantworten. Das Interesse der Medien an den ersten Tagen des Prozesses war groß; besonders groß war auch das Interesse der Serben, die Milosevic vor mehr als einem Jahr abgewählt und gestürzt haben. Trotzdem stellen die Serben Milosevic bisher ein ausgezeichnetes Zeugnis aus. Das belegen auch seriöse Meinungsum-fragen. Aus Belgrad berichtet unser Balkan-Korrespondent Christian Wehrschütz:

„Milosevic – Hag eins zu null“, so titelte die serbische Tageszeitung „national“ nachdem Milosevic vor dem Haager Tribunal den ersten albanischen Zeugen der Anklage ins Kreuz-verhör genommen hatte. Daß diese Einschätzung auch unter den Serben vorherrscht und das Interesse am Prozeß in Den Haag bisher sehr groß ist, bestätigen Umfragen des angesehenen Belgrader Meinungsforschungsinstitutes SMMRI. Das Institut hat 512 Serben über 18 Jahre befragt. Demnach verfolgten bereits 50 Prozent der Serben den dritten Prozeß, jenen Tag, an dem Milosevic mit seiner Eröffnungsrede begann. Am Freitag, den 15. Februar saßen sogar knapp Zweidrittel der Bürger vor dem Fernseher, um Milosevics Erwiderung zu sehen. Dem Angeklagten kam dabei zugute, daß der Freitag ein serbischer Feiertag war. Beachtlich ist auch die Verweildauer. 40 Prozent verfolgten bis zu 30 Minuten der Verhandlung und jeweils etwa 20 Prozent saßen zwischen einer und zwei Stunden oder sogar mehr als zwei Stunden vor dem Fernseher. Zum Zeugnis, das die Serben Milosevic für sein Auftreten in Den Haag ausstellen, sagt Srdjan Bogosavljevic, Leiter des Meinungsforschungsinstitutes SMMRI:

„Es ist extrem hoch, unmöglich zu vergleichen mit seinen Werten als Person heute oder überhaupt. Etwa 60 Prozent der Serben sahen zu und davon denken Zweidrittel, also 40 Prozent der gesamten Bevölkerung, daß sich Milosevic vor Gericht perfekt verhalten hat.“

Diese 40 Prozent gaben Milosevic die Höchstnote fünf; weniger als 20 Prozent bewerteten Milosevic als schlecht. Noch nicht festgelegt haben sich die Serben, welche Folgen der Prozeß für ihr Land haben wird. Keine eindeutigen Mehrheiten bestehen auch in der Frage, ob Milosevic in Den Haag seine Verbrechen auf das serbische Volk abwälzen will oder ganz Serbien verteidigt; letztere These neigt eine relative Mehrheit zu. Klar sind die Mehrheits-verhältnisse jedoch, was die Einstellung zum Haager Tribunal betrifft. Srdjan Bogosavljevic:

„In Serbien ist die öffentliche Meinung praktisch ungeteilt. Etwa 70 Prozent der Bürger be-trachten das Haager Tribunal bereits über einen langen Zeitraum als parteiisch und als antiser-bisches Gericht. Doch gleichzeitig denkt eine große Mehrheit, daß Zusammenarbeit mit den Haag sein muß. Begründet wird diese Kooperation nicht mit Kriegsverbrechen und dem Willen zur Wahrheit, sondern mit der Tatsache, daß das Haager Tribunal die Eintrittskarte für die Zusammenarbeit mit dem Rest der Welt ist.“

Daher wird es auch zu weiteren Auslieferungen kommen. Trotzdem stellt Milosevic die regierende Allianz DOS vor gewisse Probleme. Die Reaktion des jugoslawischen Präsidenten Vojislav Kostunica und des serbischen Ministerpräsidenten Zoran Djindjic beschreibt der Meinungsforscher Srdjan Bogosavljevic so:

Beide versuchen diesem Thema so gut wie möglich auszuweichen. Denn sie wissen, daß Milosevics Verhalten von der Bevölkerung gut aufgenommen wird und gleichzeitig möchten sie sich nicht mit dessen Verhalten identifizieren. Auf der anderen Seite wissen die Parteien, daß die Serben dem Tribunal extrem mißtrauen.

Die Allianz DOS hat nun vereinbart, noch in der kommenden Woche im Bundesparlament ein Rahmengesetz über die Zusammenarbeit mit den Tribunal zu beschließen. Die Auslieferung selbst soll dann auf Republiksebene geregelt werden. Hält diese Vereinbarung wird Milosevic die Allianz DOS nicht mehr spalten können, wie das bei seiner Auslieferung geschah. Kommt es jedoch im Reformbündnis zwischen Gegner und Befürworter des Tribunals wieder zu Konflikten, so könnte der Milosevic-Faktor kurzfristig innerhalb von DOS eine Rolle spielen; eine größere Rolle jedenfalls als es Milosevics Sozialistische Partei spielen kann, die von den positiven Umfragewerten ihres inhaftierten Vorsitzenden nicht zu profitieren vermag.

Wenn jemand von den angeklagten Personen Unterstützung hat, dann vor allem Radko Mladic. Mladic hat die höchsten Werte von allen, weit hinter ihm ist Karadjic und der Rest ist einem großen Teil der Serben unbekannt. Milan Milutinovic als serbischer Präsident ist sehr unpopülär, obwohl er von Den Haag angeklagt ist.

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