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Visa-Skandal Belgrad

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Vor zwei Wochen hat der ORF in Belgrad aufgedeckt, daß an der österrei-chischen Botschaft vergangenes Jahr mehr als 400 Visa auf Basis gefälschter Unterlagen erteilt worden sind. Gefälscht wurden dabei Einladungen zweier Firmen; doch auch Einladungen von Scheinfirmen wurden benutzt, um Visa zu erschleichen. Ebenfalls gefälscht wurden auch Bestätigungen des AMS, des Arbeitsmarktservice, um sich Saisonvisa in der Dauer von sechs Monaten zu erschleichen. Ausgestellt wurden all diese Visa vor allem von zwei Mitarbeitern der Botschaft. Die Staatsanwaltschaft Wien hat in diesem Zusammenhang nun Vorerhebungen wegen des Verdachts des Amtsmißbrauchs eingeleitet. Aus Belgrad berichtet Christian Wehrschütz:

Die Grundlage der Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Wien bilden die Be-richterstattung des ORF sowie eine anonyme Anzeige gegen zwei Mitarbeiter des Außenministeriums. Der Leitende Staatsanwalt Friedrich Matousek sagt zum Stand der Vorerhebungen:

„Wir haben beantragt, dass der zuständige Beamte im Aussenministerium zu dem Erhebunsergebnis befragt wird. Und auch dieses Ergebnis vorliegt. Deshalb, weil nach den Medienberichten bereits im März oder April dieses Jahres im Aussenministerium dieser Sacherhalt untersucht wurde. Es wird daher meiner Meinung nach auch zu hinterfragen sein, warum seitens des Aussenministeriums keine Anzeige erstattet wurde.

Denn das Außenministerium ermittelt nach eigenen Angaben bekanntlich seit Monaten; ein Mitarbeiter der Botschaft wurde im Frühling nach Wien einbe-rufen und Belgrad fand eine Generalinspektion der Botschaft statt. Trotzdem hat das Außenministerium von sich aus keine Anzeige erstattet; dazu ist jedoch jede Behörde nach der Strafprozeßordnung verpflichtet, wenn ihr von Amts wegen der Verdacht einer strafbaren Handlung bekannt wird, die ihren Wirkungsbe-reich betrifft. Zu den möglichen Folgen dieser Unterlassung des Außenminis-teriums saagt Friedrich Matousek:

„Könnte allenfalls auch ein Verfahren wegen Amtsmisbrauchs zur Folge haben.“

Abzuwarten bleibt auch, wie umfangreich die Unterlagen sein werden, die das Außenministerium der Staatsanwaltschaft Wien übermittelt; denn über die bisher bekannten Fälle hinaus wurden auch weitere Visa auf der Basis gefäl-schter Unterlagen ausgestellt. So brachte die Freundin eines ehemaligen Bot.-schaftsmitarbeiters im Mai 2000 einen Visa-Antrag in die Botschaft; er betraf eine Minderjährige, die 10 Tage zu touristischen nach Österreich reisen wollte. Das Visum wurde ohne die erforderliche Zustimmung der Eltern ausgestellt und auch die Schulbestätigung war nach Angaben des Vaters gefälscht. Die Minder-jährige kehrte nicht nach Belgrad zurück, lebte mehr als ein Jahr illegal in Wien und stellte vor knapp einem Jahr einen Asylantrag.

Ebenfalls in Belgrad bieten mutmaßliche Fälscher in Inseratenzeitschriften nach wie vor ihre Dienste für Schengenvisa an. Sie kosten zwischen 1000 und 3000 Euro je nach Aufenthaltstdauer. Dabei führt die Spur auch an die österreichische Botschaft in Budapest. Bei einem fingierten Anruf des ORF sagte einer der Fälscher:

„Nach einem Tag ist das Visum fertig. Wir fahren nach Budapest mit einem Kombi von Belgrad aus um vier Uhr früh. Zwischenacht und neun sind wir in Ungarn. Sie übergeben die Dokumente um neun Uhr und um 14 Uhr ist das Visum fertig.Wenn sie das Visum bekommen, dann zahlen sie. Was die Unterlagen betrifft, so brauchen sie nur den Pass und zwei Bilder.“

Natürlich gilt auch in diesem Fall die Unschuldsvermutung. Bemerkenswert ist jedoch die Zahl der Visa, die in Budapest an jugoslawische Staatsbürger aus-gestellt wurde. Im vergangenen Jahr waren es etwa 600; bis August dieses Jahres erhöhte sich die Zahl bereits auf mehr als Eintausend.

Der eine ist noch an der Botschaft, der andere wurde im Frühjahr nach Wien einberufen. Die Staatsanwaltschaft Wien hat nun verlangt, daß alle Unterlagen übermittelt werden, hat doch das Außenministerium angegeben, es untersuche diesen Fall seit Monaten. Die Staatsanwaltschaft Wien ermittelt dabei auch, warum das Außenministerium nicht selbst Anzeige wegen Amtsmißbrauch erstattet hat; dazu wäre das Ministerium nach der Strafprozeßordnung ver-pflichtet gewesen. Auch diese Unterlassung könnte ein Verfahren wegen Amtsmißbrauch nach sich ziehen; sollten im Zuge der Ermittlungen Verdachts-momente auchgegen andere Botschaften auftauchen, könnten die Vorerheb-ungen auch auf andere Botschaften ausgedehnt werden, teilte die Staatsan-waltschaft Wien mit.

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