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Slobodan Milosevic ist aus seiner Gefängniszelle in Belgrad in ein Militär-krankenhaus verlegt worden. Der Grund dafür sollen Herzbeschwerden sein.

Milosevic sitzt seit 1. April im Belgrader Zentralgefängnis in Untersuchungs-haft und hat somit bisher 10 Tage in einer Gefängniszelle verbringen müssen.

Ihm werden Korruption und Amtsmißbrauch vorgeworfen. Ermittelt wird aber auch wegen mehrere ungeklärter Mordfälle, die Milosevic zur Last gelegt werden. Aus Belgrad berichtet Christian Wehrschütz

Slobodan Milosevic wurde gestern gegen 23 Uhr in die Militär-medizinische Akademie in Belgrad eingeliefert. Die Verlegung aus dem Belgrader Zentral-gefängnis soll unter starkem Polizeischutz erfolgt sein. An der Aktion nahmen auch Sondereinheiten des Innenministeriums und des Geheimdienstes teil. Im Krankenhaus selbst wird Milosevic ebenfalls von Polizeieinheiten bewacht. Milosevic soll gestern am frühen Nachmittag erstmals über Herzbeschwerden geklagt haben. Mira Markovic, die ihren Mann im Gefängnis besuchte, verstän-digte am frühen Abend dann die Ärzte und verlangte Milosevics Einlieferung in ein Krankenhaus. Wie angegriffen der Gesundheitszustand des früheren jugo-slawischen Präsidenten tatsächlich ist, ist unklar. Sein Anwalt Toma Fila teilte mit, der Gesundheitszustand von Milosevic sei nicht dramatisch; sein Mandant leide aber unter hohem Blutdruck. Dagegen schreibt die Belgrader Tageszeitung Vecernje Novosti, die Ärzte hätten bei der Untersuchung festgestellt, daß sich der 59-jährige Milosevic in einem Vor-Infrakt-Stadium befinde. Ein ärztliches Bulletin über Milosevics tatsächlichen Gesundheitszustand ist bisher jedenfalls nicht vorgelegt worden. Sollte es nicht rasch zu einer Klärung der Frage kom-men, wie krank oder gesund Milosevic tatsächlich ist, kann jedenfalls in Serbien rasch mit Spekulationen darüber gerechnet werden, ob dem ehemaligen Präsi-denten auf diese Weise nicht ein Gefängnisaufenthalt erspart werden soll. Diese Frage wird auch von der Dauer des Krankenhausaufenthaltes und von der Infor-mationspolitik der behandelnden Ärzte abhängen. Politische Stellungnahmen zur Verlegung von Slobodan Milosevic ins Krankenhaus gibt es bisher nicht. Daher läßt sich auch noch nicht abschätzen, ob Milosevics Gesundheitszustand zu weiteren Spannungen im regierenden Parteienbündnis DOS führen kann oder wird. Zu den treibenden Kräften der Verhaftung von Slobodan Milosevic zähl-ten jedenfalls der serbische Ministerpräsident Zoran Djindjic und der serbische Justizminister Vladan Batic. Sie bereiteten die Verhaftung zu einem Zeitpunkt vor, als der jugoslawische Präsident Vojislav Kostunica gerade zu einem ein-tägigen Besuch in Genf war. Die bei der Verhaftung selbst auftretenden Span-nungen zwischen serbischer Polizei und jugoslawischer Armee sind auch Aus-druck der Meinungsverschiedenheiten innerhalb von DOS. Denn Kostunica selbst war stets zurückhaltend, was die Verhaftung von Milosevic betraf, dessen Auslieferung an das Haager Tribunal lehnt er nach wie vor ab. Denn Kostunica ist bestrebt, sich als Wahrer der nationalen Würde und Interessen des serbischen Volkes zu profilieren. Diese Strategie hängt auch mit der ungeklärten Zukunft Jugoslawiens zusammen. Denn sollten die Unabhängigkeitsbefürworter in Montenegro die Parlamentswahl am 22. April gewinnen, könnte es noch in diesem Jahr zum Zerfall Jugoslawiens kommen. Kostunica will sich daher für alle Fälle eine gute Ausgangsposition für seine weitere politische Zukunft in Serbien schaffen. Trotz dieser Strategie dürfte das jugoslawische Bundespara-ment nach der Wahl in Montenegro ein Gesetz über die Zusammenarbeit mit dem Haager Tribunal beschließen, das auch eine Auslieferung jugoslawischer Staatsbürger ermöglichen wird. Daran wird auch Kostunicas Widerstand nichts ändern können, denn der internationale Druck und die Abhängigkeit Serbiens von ausländischer Finanzhilfe sind zu groß, um eine Auslieferung von Slobodan Milosevic an Den Haag dauerhaft verhindern zu können.
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