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Milosevic und Todesstrafe

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In Serbien weiten sich die Ermittlungen gegen Slobodan Milose-vic immer mehr aus. Zunächst nur wegen Amtsmißbrauch und Kor-ruption verhaftet mehren sich nun in Serbien die Stimmen, daß der ehemalige jugoslawische Präsident auch wegen mutmaßlicher Kriegsverbrechen im Land selbst zur Verantwortung gezogen werden müsse. Bereits ermittelt wird gegen Milosevic auch wegen mehrere ungeklärter Mordfälle. Bei seinem Besuch in Wien hat der serbische Innenminister Dusan Michajlovic in diesem Zusammenhang betont, daß Milosevic in Serbien dann auch die Todesstrafe drohen könnte. Für welche konkreten Straftaten sieht nun das serbische Strafgesetzbuch die Todesstrafe eigentlich vor. Über diese Frage hat unser Korrespondent Christian Wehrschütz in Belgrad mit einem Strafverteidiger gesprochen und den folgenden Bericht gestaltet:

Die Todesstrafe ist ein gutes Beispiel für die große Eigen-ständigkeit der beiden jugoslawischen Teilrepublken Serbien und Montenegro gegenüber dem Bundesstaat. Denn das jugosla-wische Strafrecht kennt seit 1993 die Todesstrafe nicht mehr, während sie im serbischen Strafgesetzbuch weiter besteht. Vor-gesehen ist die Todesstrafe in Serbien für qualifizierten Mord und besonders schwere Formen des Raubes und des räuberischen Diebstahles, bei denen der Tod eines Menschen vorsetzlich in Kauf genommen wurde. Für Kriegsverbrechen gibt es die Todes-strafe nicht; warum das so ist erklärt der Belgrader Rechtsan-

walt und Strafverteidiger Ivan Jankovic so:

„Die serbische Rechtsordnung enthält keine Strafen für Kriegs-verbrechen. Wie in den meisten anderen Bundesstaaten ist auch in Jugoslawien der Tatbestand des Kriegsverbrechens im Bundes-gesetz vorgesehen. Denn die Bestrafung derartiger Verbrechen leitet sich aus dem Völkerrecht ab, wie etwa der Genfer Kon-vention. Doch in Jugoslawien verbietet die Bundesverfassung die Verhängung der Todesstrafe.“

Trotz der Stellungnahme des serbischen Innenministers Dusan Michajlovic in Wien hält der Rechtsanwalt die Verhängung der Todesstrafe gegen Slobodan Milosevic praktisch für ausge-schlossen. Denn die Teilrepublik Serbien ist verpflichtet, ihr Strafrecht an die Bundesgesetzgebung anzupassen. Ivan Jankovic:

„Im November hat der jugoslawische Verfassungsgerichtshof da-mit begonnen, die Bestimmungen des serbischen Strafrechts, die die Todesstrafe vorsehen, auf ihre Verfassungsmäßigkeit zu überprüfen. Die Konsequenz davon ist, daß es derzeit eine Art Moratorium gibt, so daß die Todesstrafe derzeit gegen nieman-den, auch nicht gegen Milosevic vollstreckt werden kann. Noch wichtiger ist, daß Jugoslawien und seine Teilrepubliken Ser-bien und Montenegro dabei sind, ihre Rechtsordnungen mit der europäischen zu harmonisieren. As betrifft vor allem die Euro-päische Menschenrechtskonvention. Es ist sehr wahrscheinlich daß nicht nur diese Konvention unterschrieben wird, sondern auch das sechste Zusatzprotokoll, das die Todesstrafe aus-drücklich verbietet. Daher sind Spekulationen über eine Todes-strafe für Milosevic theoretischer Natur, falsch und unnot-wendig.“

Nach Angaben des Strafverteidigers Ivan Jankovic wurde die Todesstrafe in Serbien zuletzt vor etwa sechs Jahren voll-zogen, doch genaue Angaben konnten weder er noch das serbi-sche Justizministerium bisher machen. Zum bisherigen Voll-zug der Todesstrafe sagt Jankovic:

„Vollstreckt wird die Todesstrafe durch Erschießung, und zwar in den frühen Morgenstunden und an einem unbewohnten Ort. Das Erschießungskommando besteht aus acht Polizisten, von denen vier Gewehre mit scharfer Munition und vier Gewehre mit Platz-patronen haben.“

Doch Milosevic wird ein derartiges Schicksal wohl erspart bleiben, auch wenn der serbische Justizminister Vladan Batic die Todesstrafe nicht abschaffen will. Denn zwischen Belgrad, Brüssel und Den Haag dürfte ein Kompromiß erzielt werden der vorsieht, daß Milosevic zuerst in Belgrad und dann vor dem Kriegsverbrechertribunal in Den Haag der Prozeß gemacht wird, und ausgeliefert werden kann nur ein lebender Slobodan Milosevic.

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