× Logo Mobil

Interview General Pavkovic

Radio
Mittags Journal
Berichte Serbien
Beim Machtwechsel in Jugoslawien am 5. Oktober spielten die jugoslawischen Streitkräfte neben der serbischen Polizei eine Schlüsselrolle. Denn ein Einsatz dieser Machtmittel zugunsten von Slobodan Milosevic hätte in Belgrad und ganz Serbien ein Blutbad mit unabsehbaren Folgen auslösen können. Während es in der von Milosevic-Gefolgsleuten dominierten Polizei bereits zu personellen Änderungen gekommen ist, blieb die Führung der Streitkräfte bisher weitgehend unverändert. Diese Tatsache wird in Belgrad auch als Zeichen der Dankbarkeit des jugosla-wischen Präsidenten Vojislav Kostunica interpretiert aber auch kritisiert. Generalstabschef Nebojsa Pavokvic, unter Slobodan Milosevic ernannt, hat dieses Amt jedenfalls nach wie vor inne. Mit General Pavkovic hat unser Jugoslawien-Korrespondent Christian Wehrschütz gesprochen und den folgenden Bericht gestaltet:

Die jugoslawischen Streitkräften genießen in der serbischen Bevölkerung von allen Institutionen des Staates das höchste Ansehen. Daß sich diese Einstellung auch nach der Revolution nicht geändert hat, zählt nicht zuletzt zu den Verdiensten von Generalstabschef Nebojsa Pavkovic; denn Pavkovic blieb der Verfassung treu und ließ die Sreitkräfte in den Kasernen. Über die Haltung der Streitkräfte vor und am Tag der Revolution sagt Pavkovic:

„Es war sehr wichtig, daß die Armee am 5. Oktober praktisch nichts tat: damit bestätigte sie ihre verfassungsmäßige Rolle, daß sie eine Armee des Volkes ist und daß sie nicht daran dachte, sich in den Wählerwillen einzumischen. Wir haben nie gesagt, daß die Armee gegen das eigene Volk vorgehen wird; aber wir erklärten, daß wir im Falle einer Verschärfung der Lage oder eines drohenden Bürgerkrieges alles tun würden, um einen Krieg zu vermeiden. Was den Wählerwillen betrifft, so haben wir sogar vor dem 5. Oktober erklärt, daß wir eine Regierung oder eine einzelne Person nicht schützen werden, wenn sie das Volk nicht wählt.“

Auch wenn Erklärung Pavkovics vor der Revolution nicht ganz so eindeutig waren, so hielt er in den entscheidenden Stunden doch dem Druck von Slobodan Milosevic stand und befahl keinen Armeeeinsatz. Daß es einen derartigen Druck bestätigt General Pavkovic so:

„Es gab einige Versuche; ich denke, daß sie vor allem daher rührten, daß Milosevic und seine engsten Mitarbeiter nicht die richtigen Informationen über die wahre Stimmung unseres Volkes hatten. Die Armee wußte, was in Belgrad und im Land geschah und wir wußten einfach, daß all das was geschah, keine Ange-legenheit der Armee war. Die Armee hat nicht Gebäude zu schützen, auch nicht das Parlament oder das Fernsehgebäude. Das zählt zu den Aufgaben der Polizei. Jede Forderung, die möglicherweise die Armee involviert hätte, haben wir zurück-gewiesen und gesagt, daß das nicht unsere Zuständigkeit ist.“

Schon knapp nach der Revolution wurde der 55-jährige General-stabschef Nebojsa Pavkovic von jener Liste gestrichen, auf der die EU mehrere hundert Serben, verzeichnet hatten, die in kein Mitgliedsland der Europäischen Union reisen durften. Ob das Haager Tribunal gegen Pavkovic ermittelt, ist unbekannt. Pav-kovic war ein Jahr und zwar bis zum Jänner 1999 Kommandant des Korps in Pristina; dann befehligte er die Dritten Armee, deren Operationsgebiet den ganzen Kosovo umfaßte. Pavkovic ist

grundsätzlich gegen eine Auslieferung möglicher Kriegsverbre-cher an das Haager Tribunal:

„Wir sind der Ansicht, daß sich jeder für das verantworten muß, was er getan hat. Aber wir treten dafür ein, daß Prozesse wegen möglicher Verbrechen - in unserem Land und vor unseren Gerichten stattfinden sollen.“

Mit den Folgen des Kosovo-Krieges hat sich Pavkovic, der nun seit einem Jahr Chef des Generalstabes ist, in jüngster Zeit besonders intensiv befassen müssen. Grund dafür war die Frage, welche Folgen der NATO-Einsatz von panzerbrechender Munition mit abgereichertem Uran haben kann. An diesem sogenannten Balkan-Syndrom sollen bereits mehrere NATO-Soldaten gestorben sein. Pavkovic ist überzeugt, daß dieses Uran gesundheits-schädlich ist. Zu den Folgen bei den jugoslawischen Streit-kräften sagt Pavkovic:

„Einige unserer Soldaten sind an Krebs oder Leukemie oder ähnlichen Krankheiten gestorben, die auch durch den Einsatz derartiger Munition verursacht worden sein könnten. Aber es gibt keine Beweise dafür, obwohl die Krankheitsymptome ein-ander entsprechen könnten. Das müssen unsere Spezialisten beweisen. Wir sind dabei alle unsere Soldaten zu untersuchen, die in Regionen eingesetzt waren, wo diese Munition verwendet wurde.“

Zu seinen Schwerpunkten zählt Nebojsa Pavkovic nun die Reform der Streitkräfte. Forderungen nach seiner eigenen Ablöse sind derzeit nicht mehr zu hören; trotzdem bleibt offen, wie lange Pavkovic, als eines der Symbole des Übergangs von Milosevic zu Kostunica noch Generalstabschef bleiben wird.

Facebook Facebook