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Aufgabe der serbischen Regierung

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„Dunkelheit am Ende des Tunnels“, so bezeichnete jüngst die Belgrader Tageszeitung „Danas“ den Zustand Serbiens nach der Parlamentswahl am 23. Dezember. Dieser Vergleich hat nichts mit dem Wahlergebnis selbst zu tun; denn das demokratische Reformbündnis DOS hat bei der Wahl die Zwei-Drittelmehrheit gewonnen. „Dunkelheit am Ende des Tunnels“ bezeichnet viel mehr die katastrophale Lage der Stromversorgung in Serbien. Den viele Hauhalte in Belgrad haben in diesen Tagen nur für sechs Stunden Strom. Die neue DOS-Regierung unter ihrem künf-tigen Ministerpräsidenten Zoran Djindjic steht somit eine wahre Herkules-Aufgabe bevor. Über die Ausgangslage und die Ziele dieser Regierung berichtet aus Belgrad Christian Wehrschütz

Nur wenige Tage nach der endgültigen politischen Niederlage der Sozialisten von Slobodan Milosevic bei der Parlamentswahl in Serbien hat der schmerzliche Stromengpaß der Bevölkerung drastisch gezeigt, welches Erbe Milosevic hinterläßt. Denn in weiten Teilen Serbiens verfügen die Hauhalte pro Tag nur für sechs Stunden über Strom und der Zustand der Kraftwerke und Energieversorger ist nicht untypisch für die Lage des Landes. So ist der Wirkungsgrad vieler Kraftwerke weit niedriger als in Westeuropa, denn die Anlagen sind veraltet und für Inves-titionen fehlte das Geld. Die Turbinen und Generatoren in Djerdap I, dem größten Laufkraftwerk Europas an der Donau ge-legen, sind 35 Jahre alt. Die Preise für elektrische Energie müßten in Serbien vier Mal höher sein, doch auch nur annähernd kostendeckende Preise kann die Bevölkerung derzeit nicht be-zahlen. Veraltet, ineffizient und unausgelastet sind in Ser-bien auch viele Staatsbetriebe; sie hat der künftige Regie-rungschef Zoran Djindjic während des Wahlkampfes besucht, um sich selbst ein Bild von der Lage zu machen. Als Ministerprä-sident will Djindjic daher .....

„zunächst einmal der Bevölkerung das ganz offen zu sagen wie die Lage ist. Wir müssen diese Wahrheit den Menschen erklären, damit sie sich auf die kommenden Reformen vorbereiten können und nicht einen Zuberstab von der neuen Regierung erwarten.“

Djindjics Handschrift trägt auch das Regierungsprogramm, das die Allianz DOS bereits im Wahlkampf vorgestellt hat. Darin werden vier grundlegende Ziele definiert: die Bildung des Rechtsstaates durch starke und transparente Institutionen. Dazu gehört auch die Reform der Justiz und der Polizei, die zu den Stützen von Milosevic zählten. Weiters soll ein Ombudsmann eingeführt werden, dessen Aufgaben der Volksanwaltschaft in Österreich entsprechen sollen. Zweitens will die Regierung die Wirtschaft modernisieren und das Steuersystem vereinfachen. Mit einer Privatisierung soll erst in etwa zwei Jahren begon-nen werden. Zurückgreifen will die Regierung auch auf Fach-leute aus der serbischen Diaspora, die mit modernen Techno-logien und Managementmethoden vertraut sind. Bei der Bekämp-fung von Armut und Arbeitslosigkeit setzt DOS vor allem auf ausländische Hilfe und Investitionen sowie auf Umschulungen. Offiziell sind derzeit 800.000 Serben arbeitslos und 1,6 Millionen beschäftigt, davon jeder Vierte im Staatsapparat. Hinzu kommen 1,5 Millionen Pensionisten und etwa 800.000 Flüchtlinge. Die Wahrung des sozialen Friedens wird somit zu den schwierigsten Aufgaben der Regierung zählen. Schließlich will DOS auch die Kompetenzen der Städte stärken, die Auto-nomie der Vojvodina wieder einführen und die Verfassung reformieren. Eine neue Verfassung wird jedoch erst ausge-arbeitet werden können, wenn das Verhältnis zu Monetenrgo geklärt ist, dessen Führung mehrheitlich für die Unabhängig-keit eintritt. Abgerundet wird die Sysiphos-Arbeit vor der die DOS-Regierung steht noch durch das Kosovo-Problem und die kri-tische Lage in Südserbien; dort haben albanische Freischärler aus dem Kosovo wiederholt Anschläge verübt. All diese Aufgaben wird die neue Regierung nur bewältigen, wenn sie den Bürgern klar machen kann, wie sehr Serbien in den vergangenen zehn Jahren heruntergewirtschaftet wurde. An einer politischen, wirtschaftlichen und moralischen Aufarbeitung der Ära Milosevic führt somit kein Weg vorbei.

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