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Tauwetter Serbien und USA

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Berichte Serbien
Seit dem Kosovo-Krieg im Jahre 1999 war das Serbien von Slobodan Milosevic der Hauptfeind der USA auf dem Balkan. Auch nach Milosevics Sturz hat sich dieses Ver-hältnis zunächst nur geringfügig und langsam verbessert. Zu den größten Stolpersteinen auf dem Weg zur Normalisierung zählte die schleppende Zusammenarbeit Belgrads mit dem Haager Tribunal. In der Endphase der Ära von Ministerpräsident Zoran Djindjic und

nach der Umwandlung Jugoslawiens in den Staatenbund Serbien und Montenegro hat das Verhältnis zwischen Belgrad und Washington jedoch an Dynamik gewonnen. So bezei-chnete Djindjics Nachfolger Zoran Zivkovic jüngst das Verhältnis zu den USA als so gut wie seit 50 Jahren nicht mehr. Mit dazu beigetragen hat der Krieg der USA gegen den Irak. Serbien als langjähriger Geschäftspartner des Irak lieferte den USA wertvolle Infor-mationen und serbische Firmen hoffen nun, auch beim Wiederaufbau auf gute Geschäfte. Darüber berichtet aus Belgrad unser Balkan-Korrespondent Christian Wehrschütz:

Im Vorfeld des Irak-Krieges flog am Balkan ein Skandal auf, der das Verhältnis zwischen den USA und Serbien zunächst neuerlich belastete. Die in der serbischen Teilrepublik in Bosnien ansässige Firma „Orao“ hatte Motoren für Flugzeuge der irakischen Luftwaffe repariert und überholt und damit das UNO-Waffenembargo verletzt. Abgewickelt wurde das Geschäft über die serbische Staatsfirma Jugoimport, die in Belgrad ihre Zentrale hat. Im Aufsichtsrat der Firma saß damals auch der nunmehrige Ministerpräsident Zoran Ziv-kovic. Die USA reagierten zurückhaltend und wurden dafür belohnt. Belgrad übermittelte Washington ein 120 Seiten starkes Dossier über Geschäfte, die zwischen Jugoslawien und dem Irak zwischen 1999 und 2002 abgewickelt wurden. Anschließend folgten auch Baupläne von Anlagen, die jugoslawische Firmen in den 80iger Jahren gebaut hatten. Im Irak errichten wurden damals Militärbasen, Luftschutzräume, Flughäfen, Kraftwerke und Schutzdämme. Die Baupläne mit Angaben über Wandstärken, Betonarten und anderen technischen Details, sollen für die USA von großem Wert gewesen sein, schreibt die Belgrader Zeitschrift „Vreme“ unter Berufung auf US-Diplomaten. Nach dem Sieg der USA erwarten sich serbische Firmen gute Geschäfte im Irak. So hat der amerikanische Baukonzern Bechtel im Irak einen Auftrag im Wert von 577 Millionen Euro erhalten. Bechtel sucht derzeit Subunternehmer und Washington soll Serbien aufgefordert haben, sich an der Ausschreibung zu beteiligen. Damit könnte Serbien wenigstens einen Teil der irakischen Schulden kompensieren, die bereits auf mehr als eine Milliarde Dollar ange-stiegen sind.

Das amerikanisch-serbische Tauwetter zeigt sich nicht nur am Beispiel Irak. Washington hat seine Beziehungen zu Belgrad völlig normalisiert und alle Handelsbeschränkungen aufgehoben. Auch der Wunsch Serbiens, dem NATO-Programm „Partnerschaft für den Frieden“ beizutreten, findet zunehmend Gehör. Hartnäckig halten sich - trotz aller Dementis - auch Gerüchte, die USA könnten an einer Militärbasis interessiert sein und Truppen aus Mitteleuropa auch nach Serbien verlegen. Auch das Thema Haager Tribunal wird nun weit sensibler behandelt, wobei Serbien nun zur uneingeschränkten Zusammen-arbeit bereit ist; Chefanklägerin Karla Delponte, sprach jüngst sogar von einer neuen Ära. In wirtschaftlicher Hinsicht hat der Konzern US-Steel ein Stahlwerk in Serbien übernom-men, wobei europäische Gläubigerbanken durch die Finger schauen könnten. Auch bei der Privatisierung der Tabakindustrie wird wohl ein US-Konzern zum Zuge kommen. Die Annäherung Washington – Belgrad könnte somit auch europäische Wirtschaftsinteressen berühren. Politisch ist es Serbien bisher im Gegensatz zu anderen Staaten jedoch gelun-gen, die Beziehungen zu den USA beträchtlich zu verbessern ohne das Verhältnis zur EU zu belasten.
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