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Serben-Rückkehr in den Kosovo

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Der Kosovo-Krieg der NATO beendete vor vier Jahren die Unterdrückung der Albaner durch das Milosevic-Regime. Dem Ende der serbischen Herrschaft folgt Flucht und Vertreibung von etwa 200.000 Kosovo-Serben. Sie flohen aus Angst vor Übergriffen, die die Friedenstruppe KFOR zunächst nicht verhindern konnte. Fast vier Jahre später ist nun das erste größere Projekt zur Rückkehr von Serben gestartet worden. Ausgewählt wurde das Dorf Novake im Raum Prizren. Umgeben von albanischen Dörfern haben die Serben von Novake sogar noch während des Krieges weitgehend friedlich mit den lokalen Albanern zusammengelebt. Unser Balkan-Korrespon-dent Christian Wehrschütz hat jüngst Novake neuerlich besucht und folgenden Bericht über das Dorf und seine Umgebung gestaltet:

Das Dorf Novake in der Nähe von Prizren bot noch im vergangenen Jahr ein Bild, das aus den Kriegen im ehemaligen Jugoslawien bestens bekannt ist. Eine geschändete Kirche und zerstörte Gräber auf der An-höhe über dem Dorf. Und in Novake selbst war kein einzig bewohnbares Haus mehr zu finden. Nur noch Grundmauern standen, selbst die Strom- und Wasserleitungen waren aus den Wänden gerissen; Gebüsch und Sträucher wucherten aus den Ruinen und dazwischen weideten Schafe und Kühe. Die 600 serbischen Bewohner verließen Novake unmittelbar nach Kriegsende Mitte Juni 1999. Die Friedenstruppe KFOR vermochte Zerstörungen und Plünderungen durch albanische Extremisten nicht zu verhindern. Doch nun sind auch hörbare Anzeichen des Wiederaufbaus zu vernehmen. Finanziert von deutschen Hilfsorganisationen baut die Häuser eine lokale albani-sche Firma auf, der auch zurückgekehrte Serben zur Hand gehen. In der bereits wiederaufgebauten Schule leben zunächst Vertreter von 60 serbischen Familien, die derzeit von der KFOR versorgt werden. Insgesamt sollen bis Juni 220 Serben zurückkehren. Deren Vertreter Branko Gligorijevic sagt zu den künftigen Lebensgrundlagen:

„Wir haben etwa 40 Ha Land beackert und die Aussaat ist im Laufen. Wir haben etwa 1300 Obstbäume ge-pflanzt, 15 Ha Klee, 20 Ha Mais. Das ist unsere Frühjahrssaat. Das heißt, wir werden uns zurecht finden. Mit einiger Hilfe des Staates werden wir das meistern.“

Erleichtert wird die Rückkehr der Serben auch durch die besonderen Lebensumstände die vor dem Krieg hier geherrscht haben. Novake ist vor allem von Dörfern umgeben, in denen katholische Albaner leben. Sie sind eine religöse Minderheit, denn die meisten Albaner sind Moslems. Das Zusammenleben zwischen katholischen Alba-nern und orthodoxen Serben funktionierte im Kosovo besser als zwischen Serben und moslemischen Albanern, obwohl der Konflikt selbst keine religiösen Wurzeln hatte. So gab es zwischen Novake und dem Nachbardorf Velesa vor dem Krieg engere Kontakte, denn auch serbische Kinder gingen in Velesa in die Schule und Albaner-Kinder besuchten die Schule in Novake. Auf dieser einst bestehenden Basis soll nun wiederaufgebaut werden. Zum Zusammenleben sagt der Serbe Branko Gligorijevic:

„Wir waren immer zur Zusammenarbeit bereit. Das hat sich am Ende auch darin gezeigt, daß wir einige alba-nische Dörfer geschützt haben, daß sie gut durch die Zeit des Krieges gekommen sind. Keinem wurde auch nur ein Haar gekrümmt, doch sie konnten dieses einzige Dorf nicht schützen. Wir haben ihnen vergeben, werden aber nicht vergessen.“

Doch diese Darstellung ist ebenso falsch wie Gligorijevics Behauptung, die Albaner hätten im Kosovo die gleichen Rechte wie die Serben gehabt. Doch diese Aussagen zeigen, wie stark serbische Mythen noch wirken und wie schwierig der Weg zu Aussöhnung und Zusammenleben sein wird. Denn Albaner waren nicht gleich-berechtigt und zweitens hatten auch die katholischen Dörfer im Krieg Opfer zu beklagen. Am stärksten heim-gesucht wurde jedoch das moslemisch-albanische Nachbardorf Terrnie, das etwa 1200 Einwohner zählt. Der einzige Greißler und Bürgermeister des Ortes, Sadik Vranovci, erzählt:

„Gleich nach dem ersten Tag des Krieges kamen serbische Paramilitärs und die Armee ins Dorf und haben in einer halben Stunde ältere Leute und Kinder ermordet und massakriert. Das kleinste Kind war ein Jahr, doch es gab auch ein Baby, das erst sieben Monate zählte.“

Die Wunden des Krieges sind daher noch immer offen. Trotzdem sagt Bürgermeister zur Rückkehr der Serben:

„Derjenige, der wirklich keine Kriegsverbrechen begangen hat, der kann ruhig zurückkommen, nicht aber Kriegsverbrecher. Denn in unserem Dorf wurden 43 Bewohner massakriert und 20 davon werden noch ver-mißt.“

Sadek Vranovci und auch viele andere Albaner erhoffen sich von ihrer Bereitschaft zur Aussöhnung auch materielle Hilfe des Westens. Denn nicht nur das Dorf Terrnie ist arm und lebt von seinen Gastarbeitern. So nimmt der Bürgermeister in seiner Greißlerei täglich etwa 50 Euro ein, und der Dorfschullehrer verdient 140 Euro, während ein Liter Milch immerhin 80 Cent kostet. Die schwierige Wirtschaftslage und die hohe Arbeits-losigkeit trifft vor allem die Jugend, schränkt aber auch die Chancen rückkehrwilliger Serben ein. Auch aus diesem Grund wird Novake im Kosovo wohl eine Ausnahme bleiben und eine massenhafte Rückkehr Ver-triebener ist nicht zu erwarten.
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