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Milosevic und Krise

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Slobodan Milosevic ist in Den Haag und Jugoslawien in der Krise. Der letzte Triumph dieses gescheiterten Politikers könnte sein, daß seine Auslieferung buchstäblich zum letzten Sargnagel für die aus Serbien und Montenegro bestehende Bun-desrepublik Jugoslawien wird. Denn die SNP, der kleinere montenegrinische Koalitionspartner der serbischen Allianz DOS hat die Zusammenarbeit in der Regierung praktisch aufgekün-digt. Grund war Milosevics Auslieferung, die die SNP ablehnt. Doch auch in Serbien könnte eine Regierungskrise ins Haus stehen. Ministerpräsident Zoran Djindjic hat den jugoslawi-schen Präsidenten Vojislav Kostunica bei der Auslieferung übergangen, von der Kostunica erst aus den Medien erfahren haben soll. Kostunica und Djindjic sind aber auch die Vor-sitzenden der beiden größten serbischen Parteien der Allianz DOS. Wie es in Jugoslawien und Serbien weitergehen könnte, dazu hat Christian Wehrschütz in Belgrad den folgenden Beitrag verfaßt:

Die Krise des jugoslawischen Bundesstaates ist ein Produkt des Zerfalls des alten Jugoslawien und der späten Ära von Slobodan Milosevic. Nach der Abspaltung aller anderen Teilrepubliken blieb nur Montenegro im gemeinsamen Staat mit Serbien. Monte-negro ist jedoch viel kleiner und hat auch nur etwa 660.000 Einwohner während Serbien ohne Kosovo acht Millionen Einwohner zählt. Trotzdem sind die Kompetenzen weitgehend gleich ver-teilt und liegen vor allem bei den beiden Teilrepubliken; primär tritt der Bundesstaat nur in der Außenpolitik und bei den jugoslawischen Streitkräften in Erscheinung, die jedoch von Serbien finanziert werden. Der jugoslawische Präsident ist somit weitgehend ein Titel ohne Mittel, eine Erfahrung die Vojislav Kostuniva bei der Auslieferung von Slobodan Milosevic wieder ein Mal machen mußte. Denn die serbische Polizei wird eben von Serbien kontrolliert und daher konnte Zoran Djindjic bei der Auslieferung Kostunica so leicht übergehen.

In der Endphase der Ära Milosevic wurde der Bundesstaat noch dadurch geschwächt, daß sich der montenegrinische Präsident Milo Djukanovic von Milosevic lossagte und einen immer stär-keren Unabhängigkeitskurs verfolgte. Nur die oppositionelle SNP blieb bis zu Milosevics Sturz dessen treuer Koalitions-partner. Vor allem um Jugoslawien als Staat zu retten bildete die SNP im Bundesparlament eine Koalition mit der serbischen Allianz DOS. Die SNP profitierte davon, alle anderen montene-grinischen Parteien die Wahlen zum Bundesparlament boykottier-ten, weil sie gegen Milosevic aber auch für die Unabhängigkeit Montenegros waren. Neuwahlen zum Bundesparlament hätten je-doch nur einen Sinne wenn diese Unabhängigkeitsbefürworter zur Teilnahme bereit wären; doch das ist derzeit unwahrscheinlich.

Während ein Zerfall des ohnehin schwachen Bundesstaates leicht zu verkraften wäre, ist für die Reformen in Serbien eine zwei-te Front weit gefährlicher – der immer stärker werdende Kon-flikt zwischen Vojislav Kostunica und Zoran Djindjic. Dieser Konflikt könnte zum Zerfall der Allianz DOS führen, die aus 19 Parteien besteht und über eine Zwei-Drittelmehrheit im serbi-schen Parlament verfügt. In der Allianz DOS vertreten Djindjic und Kostunica die beiden stärksten Parteien, die etwa gleich stark sind und gemeinsam 89 der 176 DOS-Sitze inne haben. Ein Scheitern der Achse Kostunica – Djindjic müßte zwar nicht zum Sturz der serbischen Regierung führen, würde aber das Land spalten. Solange diese beiden Politiker trotz unterschied-licher Herkunft und Funktion zusammenarbeiten, wird Serbien auf Reformkurs bleiben; ein Scheitern diese Achse würde nicht nur die politische Landschaft in Serbien tiefgreifend verän-dern, sondern könnte auch dazu führen, daß der Reformeifer merklich gebremst wird.
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