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Serbien wählt

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In Serbien wird morgen ein neuer Präsident gewählt. Wahlberechtigt sind 6,5 Millionen Serben, 11 Kandidaten treten an. Meinungsforscher sagen ein Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen dem Reformpolitiker Miroljub Labus und dem jugoslawischen Präsidenten Vojislav Kostunica voraus. Doch Labus und Kostunica dürften im ersten Durchgang die nötige absolute Mehrheit der abge-gebenen Stimmen verfehlen, so daß eine Stichwahl in 14 Tagen wahrscheinlich ist. Wichtig ist die Wahl wegen des Machtkampfs zwischen Kostunica und dem serbischen Ministerpräsidenten Zoran Djindjic. Siegt Kostunica, könnte das Ende der Regierung Djindjic bevorstehen. Aus Belgrad berichtet unser Balkan-Korrespondent Christian Wehrschütz:

In Serbien ist am Donnerstag Abend der Wahlkampf zu ende gegangen, denn zwei Tage vor der Wahl dürfen keine Kundgebungen mehr abgehalten werden. Daher mobilisierte der Reformerpolitiker Miroljub Labus bereits am Donnerstag Abend in Belgrad noch ein Mal seine Anhänger. Anders als bei seinem Wahl-kampfauftakt traten bei der Schlußkundgebung auch die Minister der serbi-schen Regierung und Zoran Djindjic selbst auf. Denn die Strategie ist gescheitert, Labus als unabhängigen Kandida-ten zu verkaufen. Djindjic griff Vojislav Kostunica und die anderen neun Gegenkandidaten scharf an, gab die vielen Probleme Serbiens zu, rief aber gleichzeitig zu Optimismus auf:

„Wir brauchen ein Symbol, unser Symbol ist Miroljub Labus , ein positives Symbol unserer Haltung gegenüber der Zukunft Serbiens. Wir haben genug von Klageweibern, wir wollen Freude in unserem Land. Stimmt für Miroljub Labus, so stimmt ihr für die Zukunft eurer Kinder.“

Labus selbst verwies auf die bisher erreichten Erfolge, betonte die europäische Perspektive, die Serbien nun habe und unterstrich, daß es zur Fortsetzung der Reformen keine Alternative gebe:

„Wollen wir in diesem Augenblick aufgeben oder fortsetzen ? Wir werden fort-setzen, denn wir müssen unsere Wirtschaft auf gesunde Beine Stellen. Einen anderen Weg gibt es nicht, wir müssen die Reformen fortsetzen, einen anderen Weg gibt es nicht.“

Ob Labus und Djindjic mit ihren Appellen erfolgreich sein werden, ist fraglich. Die Lage vieler Serben ist schwierig, Unmut und Enttäuschung wachsen. Um Präsident zu werden, müßte Labus bereits im ersten Wahlgang die nötigen 50 Prozent plus eine Stimme aller abgegebenen Stimmen erreichen. Doch dieses Ziel ist nach allen Umfragen nicht erreichbar, obwohl das Wählerpotential des Hauptkonkurrenten Vojislav Kostunica im ersten Wahlgang noch gespalten ist.

In der zu erwartenden Stichwahl hat Labus kaum mehr Wählerreserven, während Kostunica mit Stimmen nationalistischer und oppositioneller Kandidaten rechnen kann. Was Kostunica als serbischer Präsident auch anstrebt formulierte er im Wahlkampf so:

„Vorgezogene Neuwahlen und dann eine neue Regierung, das ist unausweich-lich. Was Serbien in diesem Augenblick will, ist ein anders zusammengesetztes Parlament und eine andere Regierung.“

Kostunica und alle anderen oppositionellen Kandidaten waren bestrebt, die Wahl zu einer Abstimmung über die Regierung Djindjic zu machen. Darin liegt auch die große Bedeutung der Wahl, denn der serbische Präsident hat nur wenig Kompetenzen. Der nach Umfragen an dritter Stelle liegende Ultranationalist Vojislav Seselj brachte es auf den Punkt:

„Bei diesen Wahlen entscheidet sich das Schicksal Serbiens. Nicht die Funktion des Präsident ist so wichtig und dem Gesichtspunkt seiner Kompetenzen, sondern wichtig ist der Wahlsieg als Zeichen des Zusammenbruchs des DOS-Regimes.“

Geht diese Strategie auf, könnten in einigen Monaten das Ende der Regierung

Djindjic und vorgezogene Parlamentswahlen die Folge sein. Das bedeutete eine weitere Verzögerung für die Stabilisierung Serbiens und die unausweichlichen Reformen, deren Kosten für die Bevölkerung dann nur noch höher sein würden.

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