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Aufhebung des Ausnahmezustandes in Serbien und Bilanz

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In Serbien hat gestern abend die geschäftsführende Präsidentin Natasa Micic den Ausnahme-zustand aufgehoben. Sie hatte ihn auf Antrag der Regierung unmittelbar nach der Ermordung von Ministerpräsident Zoran Djindjic am 12. März verhängt. In den sechs Wochen des Aus-nahmezustandes hat die Polizei mehr als 2000 Personen verhaftet. Dazu zählen auch die mut-maßlichen Attentäter, Mitglieder der Organisierten Kriminalität und viele führende Vertreter des ehemaligen Milosevic-Regimes. Der Hauptdrahtzieher des Attentats auf Zoran Djindjic, Milorad Lukovic, genannt Legja, ist jedoch noch auf der Flucht. Eine Bilanz des Ausnahme-zustandes in Serbien zieht nun in Belgrad unser Balkan-Korrespondent Christian Wehrschütz:

In der Ära Milosevic waren Sicherheitsapparat und Organisierte Kriminalität keine Gegner, sondern arbeiteten zum beiderseitigen Vorteil zusammen. Wie diese Symbiose funktionierte hat die Aufklärung zweier Verbrechen gezeigt, die in der Zeit des Ausnahmezustandes ge-lungen ist. So ermordeten Mitglieder der Sondereinheit Rote Barette den früheren serbischen Präsidenten Ivan Stambolic, dessen Leiche nun nach drei Jahren gefunden wurde. Mitglieder dieser inzwischen aufgelösten Einheit waren auch für andere Attentate verantwortlich und gemeinsam mit dem zerschlagenen Mafia-Klan von Zemun auch in den Drogenhandel ver-wickelt. Geklärt wurde auch das gescheiterte Attentat auf einen Oppositionspolitiker in Budva in Montenegro. Die Attentäter, die dem Klan von Zemun angehörten, wurden mit Armeehub-schraubern nach Budva geflogen, trugen Uniformen und hatten Armeeausweise. Der frühere Generalstabschef Nebojsa Pavkovic ist in Haft. Er hatte Milosevics Sturz zwei Jahre über-dauert und im Machtkampf zwischen Vojislav Kostunica und Zoran Djindjic eine Rolle gespielt. Die möglichen Verbindungen dieser beiden Politiker zur Mafia sind noch nicht geklärt, doch das Kokketieren der politischen mit der kriminellen Elite könnte nun nicht nur in Serbien Vergangenheit sein. Beseitigt wurden in Serien auch die Überreste der Symbiose zwischen Sicherheitsapparat und Mafia, die auch nach Milosevic bestehen blieben. Polizei, Armee und Justiz wurden gesäubert und mehrere mafiöse Gruppen wurden zerschlagen. Ein-schränkende Bestimmungen im Gesetz über die Zusammenarbeit mit dem Haager Tribunal wurden gestrichen und das Parlament hat einige überfällige Wirtschaftsgesetze beschlossen, die gemeinsam mit der Privatisierung von Großbetrieben einen neuen Reformschub bringen können. Zu den Schattenseiten zählt, daß die Regierung die Säuberung im Sicherheitsapparat genutzt hat, um ihren Einfluß massiv zu stärken. Auch wurden regierungstreue Medien bevor-zugt und der Zugang zu Informationen ist trotz der Verabschiedung eines entsprechenden Gesetzes weiter selektiv. Ausgewogenere Medien haben einen schweren Stand, denn die Re-gierung hat den Ausnahmezustand auch zur politische Kampagne gegen alle Oppositions-parteien genutzt. Schuldig geblieben sind vor allem Innen- und Justizminister eine Antwort auf die Frage, warum erst Zoran Djindjic sterben mußte, ehe mit dem Kampf gegen die Organisierte Kriminalität wirklich begonnen wurde.
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