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In Serbien und Montenegro ist die Einigung über die Bildung eines neuen, losen Staatens zwischen diesen beiden jugoslawischen Teilrepubliken das beherrschende Thema in allen Tageszeitungen. Das Verschwinden des Staatsnamens Jugoslawien ist dagegen mit Gelas-senheit aufgenommen worden. Die meisten Bürger verbinden diesen Namen mit der schon 20 Jahr zurückliegenden Ära von Jozip Bros Tito und nicht mit jenem Staat, den Slobodan Milosevic mehr als 10 Jahre regiert hat. Ob der neue Staat mit dem Namen „Serbien und Montenegro“ gemeinsame Symbole und eine gemeinsame neue Hymne haben wird, ist noch offen. Über die Reaktionen der Bürger dieses neuen Staates auf die jüngste Entwicklung berichtet aus Belgrad unser Balkan-Korrespondent Christian Wehrschütz:

„Auf ihr Slawen“, die Hymne Jugoslawiens wird bald ebenso der Vergangenheit angehören wie der Staatsname. Gespielt wurde sie nur noch von Milosevics Sozialisten, doch Milosevic sitz in Den Haag und seine Partei ist derzeit bedeutungslos. Voijislav Kostunica, der jugosla-wische Präsident, und Serbiens Ministerpräsident Zoran Djindjic spielen bei Kundgebungen ohnehin stets die alte serbische Hymne „O Gott der Gerechtigkeit“. Die jugoslawische Idee ist für sie somit Vergangenheit. Vojislav Kostunica trat denn auch vor allem aus nationalen Gründen für die Bewahrung des gemeinsamen Staates ein; er betrachtet die Montengriner als Teil der serbischen Nation, deren weitere Zersplitterung es zu verhindern gilt. Ob der neue Staat „Serbien und Montenegro“ eine gemeinsame Hymne haben wird ist noch offen. Sicher ist, daß die meisten Serben das Verschwinden des Namens Jugoslawien kaum bedauern:

„Was Jugoslawien betrifft, so ist das vielleicht der letzte Zeitpunkt, das zu werden was wir sind, nämlich Serbien“

„Serbien und Montenegro“ ist OK; ich meine, es kann auch Serbien oder Montenegro allein sein, für mich zählt das wirklich nicht.“

Eine Ausnahme bildet dieser Belgrader:

Ehrlich, als ich das gehört habe, war ich wirklich traurig, obwohl ich kein Jugo-Nostalgiker bin; doch dieser Staat meiner Meinung nach sinnlos mit dem Namen Serbien und Montenegro; entweder wir haben Serbien und Montenegro getrennt oder Jugoslawien.“

In der montenegrinischen Hauptstadt Podgorica ist von Trauer um den Namen Jugoslawien nichts zu spüren:

„Jugoslawien ist schon vor langer Zeit verschwunden, Serbien und Montenegro blieben übrig; daher ist dieser Name der beste.“

„Ich war mit der Hymne und Ex-Jugoslawien verbunden solange es bestand und es ist Teil meiner Kindheit. Doch das neue Jugoslawien war ein Quasi-Geschöpf und es sollte ver-schwinden. Kein normaler Mensch wird diesem Jugoslawien nachweinen.“

„Es war Zeit. An diesem Jugoslawien war alles falsch bereits seit 1945. Es wurde uns Serben und Montenegrinern hinterlassen, um darüber zu streiten.“

Weit unterschiedlicher als beim Staatsnamen fallen die Bewertungen der montenegrinischen und serbischen Medien aus, wenn es um die gestrige Einigung selbst geht. So betonen jene Medien in Montenegro die für die Unabhängigkeit sind in ihren Schlagzeilen, daß kein strategisches Interesse Montenegros bedroht sei; vielmehr sei das Recht Montenegros bewahrt worden, selbst über seine Zukunft zu entscheiden. Das hat auch gestern Präsident Milo Djukanovic bei seiner Pressekonferenz unter Hinweise auf die Vereinbarung betont, mit der das Unabhängigkeitsreferendum nur für drei Jahre ausgesetzt wird. In Serbien befassen sich viele Tageszeitungen in ihren Schlagzeilen mit dem neuen Staatsnamen. Eine Belgrader Tageszeitung titelte Z bogom Jugoslavij, frei übersetzt: Ade Jugoslawien. In den Medien kommen auch vor allem Kritiker des wirtschaftlichen Teils der Vereinbarung zu Wort. So kritisiert Zentralbankpräsident Mladjan Dinkic insbesondere das nach wie vor unklar sei, ob es überhaupt einen gemeinsames Wirtschafts- und Währungsgebiet geben werde. Dieser Teil des Vertrages könnte sich auch als „Pferdefuß“ des gemeinsamen Staates erweisen. Denn Zölle und Währungen bleiben zumindestens vorläufig getrennt. Sollte sich auch die Reformen in Tempo und Stoßrichtung weiter auseinander entwickeln, so könnten die Trennlinien zwischen Serbien und Montenegro tatsächlich immer größer werden, so daß der neue Staat Serbien und Montenegro schließlich doch noch in Serbien und Montenegro zerfällt.
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