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Vor wenigen Tagen erlebte eine ungewöhnliche Premiere. Denn General Goran Petrovic, der neue Leiter des serbischen Staatssicherheitsdienstes, gab zum ersten Mal eine Pressekonferenz – allerdings nur für Zeitungsjournalisten. Trotz-dem symbolisiert dieser Auftritt die umfassende Abkehr des Geheimdienstes und der Polizei von der Ära von Slobodan Milosevic. Dessen Gefolgsleute wurden aus den Schaltstellen des Innenministeriums entfernt und mit der Re-organisation von Polizei und Geheimdienst wurde begonnen. Über diese Auf-gabe sowie über die Erblast der Ära Milosevic hat in Belgrad Christian Wehrschütz mit dem serbischen Innenminister Dusan Michajlovic gesprochen und folgenden Bericht gestaltet:

Die Ära von Slobodan Milosevic war von vielen Attentaten begleitet. Zwei dieser Fälle, die Ermordung des Journalisten Clavko Curuvja und das Attentat auf den Oppositionspolitiker Vuk Draskovic stehen knapp vor der Aufklärung. In beiden Fällen beschatteten Agenten die Opfer unmittelbar bis zum Attentat. Führende ehemalige Geheimdienstfunktionäre sind in Haft, obwohl Curuvijas Mörder noch nicht gefunden und die direkte Urheberschaft von Slobodan Milosevic noch nicht nachgewiesen werden konnte. Erschossen wurden aber auch ein Verteidigungsminister, ein Direktor der Fluggesellschaft JAT, ein stellvertretender serbischer Innenminister sowie der bekannte Kriminelle Arkan. Seit fast einem Jahr verschwunden ist auch Ivan Stambolic, Milosevics Amts-vorgänger in Serbien. Stambolic wurde beim Waldlauf in Belgrad entführt. Zu all diesen Fällen sagt der serbische Innenminister Dusan Michajlovic:

Sie müssen berücksichtigen, daß früher alle Untersuchungen dieser Fälle mit dem Ziel durchgeführt wurden, die Spuren zu beseitigen und nicht welche zu finden. Leider ist die Beweislage beim Fall Stambolic am schwierigsten; denn wir haben zwar einen Zeugen, der das Entführungsfahrzeug gesehen hat, das Auto konnten wir aber nicht finden und wir haben keine Anhaltspunkte. Aber wir sehen in all diesen Fällen dieselbe Handschrift und wir können von einer Kette von Morden sprechen. Wenn es uns gelingt, ein Glied heraus zu brechen, glauben wir, daß wir auch die Antwort auf alle anderen Fragen bekommen.

Trotz internationaler Sanktionen konnte sich Slobodan Milosevic jahrelang an der Macht halten. Wie das möglich war und welche Rolle Miosevic selbst dabei spielte, beschreibt Michajlovic so:

Unsere Untersuchungen bestätigten, daß Milosevic Patron und Sponsor jener Aktivitäten war, die unter den Bedingungen der Santionen organisiert wurden, um den Staat zu finanzieren. So wurde mit dem Geld, das aus dem Schmuggel von Öl und Zigaretten sowie aus der Unterschlagung von Zolleinnahmen stammte, alles und jedes finanziert. Sogar der soziale Friede wurde gesichert, indem die Gehälter in Großbetrieben ausbezahlt wurden, Training und Ausbil-dung für die Polizei wurden finanziert, ja sogar die Parteiarbeit; und natürlich floß ein guter Teil davon in die Taschen der Bosse der Unterwelt. Wir können somit sagen, daß eine kriminelle Organisation innerhalb des Staates bestand. Das heißt, daß in diese Struktur Einzelne eingebunden waren, die etwa sicher stellten, daß ein LkW mit Zigaretten den Zoll passieren konnte.

Als Fehleinschätzung bezeichnet Dusan Michajlovic die Annahme, daß Milosevic viel in die Polizei investiert habe. Geflossen sei Geld nur in jene Spezialeinheiten, die in Kroatien und Bosnien kämpften sowie in die per-sönliche Sicherheit von Milosevic. Zur Lage der Polizei nach dem Macht-wechsel sagt der Innenminister:

Der Rest der Polizei war in katastrophalen Zustand. So ist etwa das jüngste Feuerwehrauto 20 Jahre alt. Auch bei der Verkehrspolizei gibt es Autos die so alt sind und kaum auf der Straße fahren können. Wir haben nicht genügend Radargeräte oder moderne Ausrüstung für die Untersuchung von Verkehrsun-fällen. Der Kriminalpolizei fehlen nicht nur ein Laboratorium zur Untersuchung der menschlichen genetischen Fingerabdrucks, sondern auch die Computer sind veraltet. An unseren Grenzen haben wir zwar Computer, doch sie sind nicht vernetzt, was den Menschenschmuggel erleichtert.

Zu diesem Befund zählt auch daß das Durchschnittseinkommen eines Polizisten unter Milosevic etwa 560 Schilling im Monat betrug. Nun verdiene derselbe Polizist zwar etwa 2100 Schilling, doch auch die Lebenshaltungskosten seien beträchtlich gestiegen. Trotzdem gebe es genügend Polizeianwärter, denn die wirtschaftliche Lage sei schlecht und das Innenministerium finanziere nicht nur die polizeiliche sondern auch die schulische und universitäre Ausbildung. Trotz-dem klagt auch Serbiens Innenminister Dusan Michajlovic über Personalpro-bleme, denn:

Es ist sehr schwer gewisse Spezialisten zu finden; denn wir haben Beispiele dafür, daß unsere besten Analytiker, Informatik- und Computerexperten zu privaten Firmen abwandern. Denn dort werden sie mit den Erfahrungen, die sie bei uns gesammelt haben, weit besser bezahlt.

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