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Djindjic Porträt

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„Wenn nicht die Philosophen Könige und die Könige Philosophen werden, sehe ich kein Heil für den Staat“. Diesen Satz schrieb der griechische Philosoph Platon vor etwa 2600 Jahren. Sollte seine These richtig sein, so steht Serbien zweifellos eine positive Zukunft bevor. Denn der serbische Ministerpräsident Zoran Djindjic ist promovierter Doktor der Philosophie. Djindjic hat lange in Deutschland gelebt; zu seinen Lehrern in Frankfurt zählte auch Jürgen Habermas; doch für die Philosphie hat Zoran Djindjic nun keine Zeit mehr, denn als serbischer Ministerpräsident steht er vor der zentralen Aufgabe, das Land zu reformieren. Zum im Westen gefeierten Held wurde Djindjic jüngst als er die Auslieferung von Slobodan Milosevic an das Haager Tribunal durchsetzte. Das folgende Porträt von Zoran Djindjic hat in Belgrad unser Korrespondent Christian Wehrschütz verfaßt:

Unmittelbar nach der friedlichen Revolution am 5. Oktober stand der 48-jährige Zoran Djindjic eindeutig im Schatten von Vojislav Kostunica. Doch während der Glanz des jugoslawischen Präsidenten im Ausland zunehmend verblaßt, steht der serbische Ministerpräsident seit der Auslieferung von Slobodan Milosevic im internationalen Rampenlicht. Der Fall Milosevic ist ein gutes Beispiel für Djindjics politischen Pragmatismus; denn auch Djindjic hatte durchaus Vorbehalte gegen Den Haag. So sagte Djindjic im Dezember zur Auseinandersetzung mit der Vergangenheit und zum Tribunal:

„Nach zwei, drei Jahren Wirtschaftsaufbau in Serbien hoffe ich, dass es kommt. Dass dann auch die Frage nach der Schuld in der Vergangenheit kommt – aus inneren Motivationen. Dass sie von außen aufgeworfen wird, erwarte ich schon im nächsten Jahr. Dass die Frage nach der Auslieferung nach Den Hag gestellt wird, erwarte ich schon sehr bald. Aber das ist keine echte Vergangenheitsbewältigung. Das wäre dann aufgezwungen dieses Thema, und ich weiß nicht, ob das der beste Weg wäre, damit in Serbien zu beginnen.“

Trotzdem war Djindjic vorbehaltlos bereit, mit der Chefan-klägern des Haager Tribunals, Karla Del Ponte, in Belgrad zusammenzutreffen, während Vojislav Kostunica dies nur wider-willig tat. Obwohl Milosevic bei seiner Verhaftung von Djindjic die Zusicherung erhielt, nicht ausgeliefert zu werden, war es Djindjic, der die Auslieferung durchsetzte;

Denn der Druck des Westens war ebenso groß, wie der Finanz-bedarf Serbiens.

Der Gegensatz zwischen Djindjic und Kostunica geht über die Tagespolitik hinaus. Daher sieht der einflußreiche serbische Politiker Dragor Hiber den Unterschied zwischen Zoran Djindjic und Vojislav Kostunica weniger als persönlichen Machtkampf:

„Der Gegensatz spiegelt den Zusammenstoß zweier politischer Denkschulen wider, die in Serbien schon seit den 30iger Jahren des 19. Jahrhunderts bestehen. Da ist das konservativere, halb verschlossene Serbien und auf der anderen Seite die offenere pro-europäische Strömung, die Serbien modernisieren will.“

Dabei verkörpert Djindjic die europäische und Kostunica die traditionelle Strömung in der serbischen Politik. Daher ist es auch kein Wunder, daß Kostunica viel beliebter ist als Djindjic, der seinen Landsleuten als serbischer Minister-präsident auch weit mehr unangenehme Wahrheiten zu sagen hat.

Djindjic verkörpert den revolutionären Elan, er will die gescheiterte Modernisierung Serbiens in diesem Jahrhundert wett machen; dabei wird er jedoch auf den korrigierenden Einfluß von Vojislav Kostunica nicht verzichten können, denn das Schicksal der Politiker ist bekannt, die bei ihrem Reform-drang ihrem Volk zu weit vorausgeeilt sind.
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