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In Südserbien ist es in den vergangenen Tagen wieder zu hef-tigeren Gefechten zwischen albanischen Freischärlern, serbi-scher Sonderpolizei und jugoslawischen Streitkräften gekommen. Dabei wurde ein Offizier getötet, mehrere Soldaten wurden ver-letzt. Auch auf albanischer Seite gab es Tote und Verletzte. Albanische Freischärler der UCPMB, der sogenannten Befreiungs-bewegung für die Städte Presevo, Medvedja und Bujanovac be-setzten sogar ein Dorf außerhalb der Pufferzone zum Kosovo, das jugoslawische Sicherheitskräfte erst nach einigen Tagen zurückeroberten. Warum die Feuergefechte jüngst in Südserbien wieder heftiger geworden sind, darüber berichtet aus Belgrad Christian Wehrschütz:

Albanische Freischärler haben in den vergangenen Tagen nicht nur Stellungen serbischer Sonderpolizei und jugoslawischer Streitkräfte im Raum Bujanovac und Medvejda angegriffen. Be-schossen wurden auch Patrouillen außerhalb der fünf Kilomter breiten Pufferzone zum Kosovo. Bei diesen Gefechten wurden nach serbischen Angaben 14 Freischärler getötet und acht ver-letzt. Auf jugoslawischer Seite fiel ein Offizier, mehrere Soldaten wurden verletzt. Daß die Gefechte in der vergangenen Woche wieder heftiger geworden sind, hängt mir dem Beschluß der NATO zusammen, den jugoslawischen Sicherheitskräften ab kommendem Donnerstag die Rückkehr in den letzten Abschnitt der Pufferzone zu gestatten, der noch von der Friedenstruppe KFOR überwacht wird. Dieser 80 Kilometer lange und fünf Kilometer breite Streifen umfaßt den Raum Bujanovac und Presevo. In dieser Region ist die UCPMB, die albanische Befreiungsbewegung für die Städte Presevo, Medvedja und Bujanovac besonders stark vertreten. Radikale Freischärler versuchen daher, durch ver-stärkte Angriffe den Einzug der jugoslawischen Truppen in diesen Abschnitt zu verzögern. Dabei geht es nicht nur um politische Forderungen. So vermischen sich auch bei den albanischen Freischärlern Südserbiens politische Forderungen mit wirtschaftlichen und kriminellen Motiven. Nach serbischen Angaben muß jeder LkW, der von Südserbien in den Kosovo fahren will, je nach Ladung zwischen 1400 und 3500 Schilling an „Weg-zoll“ bezahlen; dies ist eine nicht zu unterschätzende Ein-nahmequelle für die Freischärler, denn täglich passieren zwischen 100 und 150 Fahrzeuge diese Strecke.

Ob der Einzug bereits am kommend Donnerstag erfolgen wird, dürfte von der Lagebeurteilung durch die jugoslawischen Streitkräfte abhängen. Der Forderung eines Freischärler-Kom-mandanten, den Einmarsch um vier bis sechs Wochen zu verschie-ben, bis erste Einheiten einer gemischten lokalen Polizei-truppe gebildet sind, dürfte die Führung in Belgrad kaum nach-kommen. Trotzdem sind Belgrad und die KFOR jedenfalls bemüht, Brücken zu bauen. Den Freischärlern, die keine Verbrechen be-gangen haben, wurde Amnestie angeboten, wenn sie bis Donners-tag die Waffen niederlegen. Etwa 200 Albaner sind diesem Auf-ruf bisher gefolgt, ein Zeichen dafür, daß sich bei den Frei-schärlern die gemäßigteren Kräfte von den Falken zu trennen beginnen. Wie instabil die Lage noch ist, zeigt die Entmili-tarisierung des Dorfes Lucane, vier Kilometer von Bujanovac entfernt. Zwar wurden die Barrikaden in dem Dorf entfernt und auch mit dem Schulunterricht soll am Montag wieder begonnen werden; doch gleichzeitig sollen auch wieder Freischärler in dem Dorf aufgetaucht sein, aus dem sie erst vor einem Tag abgezogen waren.

Bei den schwierigen Verhandlungen mit Rebellen-Kommandanten kann Belgrad auch auf die gemäßigten Albaner-Führer zählen. Denn serbische und jugoslawische Sicherheitskräfte haben sich bisher korrekt verhalten; mehr als 30 serbische Polizisten wurden suspendiert, die sich früher Übergriffen gegen albani-sche Zivilisten begangen haben. Hinzu kommt, daß auch die EU mit Beobachtern und Hilfsmaßnahmen sichtbar präsent ist. Außerdem können die Albaner im Grenzgebiet den Beschuß albanischer Dörfer auf der mazedonischen Seite deutlich hören, eine Tatsache, die den Wunsch nach Frieden in Südserbien zweifellos erhöht. Trotz nicht zu unterschätzender Probleme besteht somit die Chance, daß sich mittelfristig die Lage in Südserbien stabilisiert; ein kleiner Lichtblick in einer Region, die Europa noch lange beschäftigen wird.

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