× Logo Mobil

Serbischer Wahlkampf

Radio
Früh Journal
Berichte Serbien
In der jugoslawischen Teilrepublik Serbien tritt der Wahlkampf für die vorgezogene Parlamentswahl am 23. Dezember nun in die heiße Phase. Spätestens kommenden Montag werden alle Parteien ihren Intensivwahlkampf beginnen, der 10 Tage dauern wird. Denn in Serbien beginnt zwei Tage vor dem Wahltag eine soge-nannte Schweigepflicht. Ausgelöst wurde die vorgezogene Parla-mentswahl in Serbien durch den Machtwechsel in Jugoslawien. Mit dem Sieg von Vojislav Kostunica über Slobodan Milosevic verloren dessen Sozialisten auch in Serbien praktisch die politische Kontrolle, so daß es unter dem Druck der Allianz DOS von Vojislav Kostunica zur Auflösung des serbischen Parla-ments und zur Ausschreibung von Wahlen für den 23. Dezember kam. Regulär wäre diese Parlamentswahl erst Mitte nächsten Jahres fällig gewesen. Über den Wahlkampf in Serbien berichtet aus Belgrad Christian Wehrschütz:

Die Ausgangslage für die serbische Parlamentswahl ist gegen-über den Wahlen in Jugoslawien am 24. September spiegelver-kehrt. Die 18 Parteienallianz von Vojislav Kostunica mit dem Namen DOS dominiert die politische und die mediale Landschaft. Im staatlichen serbischen Fernsehen ist DOS so übermächtig wie noch vor drei Monaten Milosevics sozialistische Partei SPS. Da die SPS aber praktisch über keine eigenen Zeitungen mehr ver-fügt, ist ihre Präsenz in den Medien nun sogar schwächer als dies bei der Opposition vor den jugoslawischen Wahlen der Fall war. Unklarer als bei den Medien ist die politische Rollenver-teilung der Parteien, die im serbischen Wahlkampf auftreten. Neben DOS und SPS kandidieren bisher auch die Radikale Partei von Vojislav Seselj und die SPO, die Serbische Erneuerungsbe-wegung von Vuk Draskovic sowie eine Kleinpartei. Denn DOS, SPS und SPO bilden gemeinsam die serbische Übergangsregierung, so daß derzeit ein klarer Gegensatz zwischen Opposition und Re-gierung fehlt. Sichtbar wird diese Rollenverteilung allerdings durch Meinungsumfragen, die DOS etwa 60 Prozent der Stimmen voraussagen, während Milosevics Sozialisten nur auf etwa 15 Prozent kommen. Den Wiedereinzug in das serbische Parlament dürften auch die Radikalen schaffen, während die SPO an der nun bestehenden 5-Prozent-Sperrklausel zu scheitern droht.

Demokratiepolitische ebenso fragwürdig wie die mediale Ge-wichtung der Parteien ist auch das serbische Wahlgesetz. Dem-nach ist Serbien ein einziger Wahlkreis, in dem die 5-Prozent-Hürde übersprungen werden muß. Für das Antreten einer Partei waren 10.000 Unterschriften erforderlich, die bei Gericht be-stätigt werden mußten, wobei eine Partei pro Unterschrift 20 Dinar zu bezahlen hatte. All diese Bestimmungen benachteiligen kleine Parteien sowie Parteien der nationalen Minderheiten. Hinzu kommt, daß von einem freien Mandat in Serbien nicht ge-sprochen werden kann. Denn nach dem Wahlgesetz verliert ein Abgeordneter auch dann seinen Parlamentssitz vorzeitig, wenn die Mitgliedschaft in seiner Partei endet. Somit zeigt auch dieses Wahlgesetz, vor welch großer Aufgabe die Allianz DOS nach der Wahl stehen wird. Die Schlüsselrolle hat dabei DOS-Wahlkampfmanager Zoran Djindjic zu spielen, der das Amt des serbischen Regierungschefs übernehmen wird. Djindijc will den grundlegenden Bruch mit der Ära Milosevic und den Traditionen des kommunistischen Jugoslawien, um drei Ziele zu verwirk-lichen: die Bildung des Rechtsstates, die Entpolitisierung der Wirtschaft sowie die Dezentralisierung Serbiens, wobei vor allem die Autonomie der Vojvodina wieder hergestellt werden soll.

Die große Bedeutung der serbischen Parlamentswahl für Jugosla-wiens hat insbesondere zwei Ursachen: so liegt die eigentliche Macht in Jugoslawien nicht beim Bund, sondern bei den Teilre-publiken Serbien und Montenegro. Während in Montenegro mit De-mokratisierung und Reformen bereits vor drei Jahren begonnen wurde, steht dieser Prozeß in Serbien am Beginn. Da Serbien viel größer ist als Montenegro hängt die Zukunft Jugoslawiens weit stärker vom Erfolg oder Mißerfolg der demokratischen und wirtschaftlichen Reformen in Serbien ab. Hinzu kommt noch, daß Montenegro erst mit einer demokratischen serbischen Führung über die Zukunft des Landes verhandeln will.

Facebook Facebook