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Wahlkampf zur Stichwahl

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In Serbien hat am späten Abend der Wahlkampf für die zweite Runde der Präsidentenwahl am 13. Oktober begonnen. Als erster begann der jugoslawische Präsident Vojislav Kostunica. In der ersten Runde bekam Kostunica mit 31 Prozent die meisten Stimmen, gefolgt vom Re-formpolitiker Miroljub Labus. Beide werden einander in der kommenden Woche auch in einem TV-Duell gegenüber stehen. Fraglich ist aber, ob die Stichwahl überhaupt gültig sein wird. Aus Belgrad berichtet Christian Wehrschütz:

In einem Kongreßzentrum in Belgrad fand gestern Abend die Wahl zur Miss Jugoslawien statt. 30 Mädchen stellten sich der Jury aus serbischen Journalisten und Prominenten. Drei Stunden später stand die Siegerin fest. Diese Wahl könnte die einzige gewesen sein, die im Oktober in Serbien erfolgreich durchgeführt werden konnte. Denn die Gültigkeit der Stich-wahl für das Amt des serbischen Präsidenten in 10 Tagen ist ernsthaft in Frage gestellt. Gesetzliche Voraussetzung dafür ist, daß mehr als die Hälfte aller Wahlberechtigten am zweiten Durchgang teilnehmen. Ob dieses Quorum erreicht wird ist fraglich. Bereits beim ersten Wahlgang lag die Beteiligung nur bei 55 Prozent. Erfahrungsgemäß gehen bei der Stichwahl noch weniger Serben zu den Urnen. Zweitens hat der Drittplacierte des ersten Durchgangs, der Ultranationalist Vojislav Seselj, nun zum Boykott aufgerufen:

„Als Radikale Partei boykottieren wir die Stichwahl, weil der erste Wahlgang irregulär war. Doch selbst bei einem regulären Ablauf gäbe es niemanden, den wir in der Stichwahl unterstützen könnten, weil für keiner der Kandidaten annehmbar ist. Wir rufe daher alle, die für mich gestimmt haben auf, im zweiten Durchgang nicht zu wählen.“

Seseljs Wählerschaft ist sehr diszipliniert und wird dem Boykottaufruf mit großer Sicherheit folgen. Hinzu kommen Spekulationen, daß auch dem serbischen Ministerpräsidenten Zoran Djindjic ein Scheitern der Wahl vorteilhafter erscheinen könnte als der erwartete Sieg seines Rivalen Vojislav Kostunica. Siegt dieser und ist die Wahl gültig, will Kostunica auch den Sturz Djindjics und vorgezogene Parlamentswahlen erzwingen. Wird das nötige Quorum nicht erreicht, muß die gesamte Wahl wiederholt werden und Djindjic gewänne Zeit. Ob daher seine Anhänger in großer Zahl für Miroljub Labus, Kostunicas Gegenkandidat, stimmen werden ist fraglich. Kostunica selbst hat bereits zu einer hohen Wahlbeteiligung aufgerufen:

„Zur Wahl muß man gehen, damit Serbien definitiv nicht in Chaos und Anarchie fällt. Außer-dem dürfen die beinahe vollendete Umwandlung Jugoslawiens in die Union Serbien und Montenegro, die Aufnahme in den Europarat und die Verhandlungen mit der EU über das Stabilisierungs- und Assoziationsabkommen nicht beschädigt werden. Eine Instabilität Serbiens entspricht jenen, die eine Instabilität am Balkan wollen, vor allem den albanischen Extremisten im Kosovo, in Südserbien und Mazedonien.“

Obwohl in dieser Aussage auch Wahlkampftöne mitschwingen ist klar, daß bei einem Scheitern der Wahl die politische Agonie verlängert und die nötigen Reformen weiter verzögert werden. Serben könnten somit unsichere Zeiten bevorstehen.

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