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Präsidentenwahl in Serbien

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In der jugoslawischen Teilrepublik Serbien wird am 29. September ein neuer Präsident ge-wählt. Diesen Wahltermin hat die Präsidentin des serbischen Parlaments, Natasa Micic, be-kanntgegeben, die für die Ausschreibung der Wahl zuständig ist. Der Wahlkampf und die Wahl selbst wird auch ein neues Kapitel im Machtkampf zwischen dem jugoslawischen Prä-sidenten Vojislav Kostunica und dem serbischen Ministerpräsidenten Zoran Djindjic auf-schlagen. Kostunica wird voraussichtlich selbst antreten, denn er hat nach Meinungsumfragen die besten Chancen. Knapp dahinter liegt der stellvertretende jugoslawische Regierungschef Miroljub Labus. Labus ist ein erklärter Reformer und wird von Zoran Djindjic unterstützt. Über den beginnenden Wahlkampf und die Bedeutung der Wahl berichtet aus Belgrad unser Balkan-Korrespondent Christian Wehrschütz:

Die Wahl des serbischen Präsidenten am 29. September wird in Serbien wieder jenes poli-tische Kräfteverhältnis herstellen, das die Verfassung vorsieht. Zwar ist der serbische Prä-sident nicht so mächtig wie der französische oder der amerikanische, doch er hat den Re-gierungschef und Verfassungsrichter zu ernennen und kann die Verabschiedung von Gesetzes beeinflussen und verzögern. Das dies seit dem Sturz von Slobodan Milosevic nicht gschah liegt daran, daß der amtierende Präsident Milan Milutinovic ein Milosevic-Parteigänger ist. Dessen Partei ist in Serbien bedeutungslos und außerdem ist auch Milutinovic vom Haager Tribunal wegen Kriegsverbrechen angeklagt. Milutinovic verhielt sich daher unauffällig und unterstützte Ministerpräsident Zoran Djindjic, um möglichst gute Bedingungen für seinen unvermeidlichen Gang nach Den Haag zu erhalten. Djindjic steckt auch hinter der Ausschrei-bung der Präsidentenwahl für den 29. September, zwei Monate früher als erforderlich. Damit sollen die Chancen von Vojislav Kostunica verringert werden, der sich als jugoslawischer Präsident vor allem mit der Umwandlung Jugoslawiens in die „Union Serbien und Monte-negro“ befassen muß. Die Verhandlungen werden noch einige Monate dauern. Sollte Kostu-nica als beliebtester Politiker tatsächlich für das Amt des serbischen Präsidenten kandidieren, müßte er erklären, warum er ein anderes Amt anstrebt, obwohl er sich massiv für den Erhalt des Gesamtstaates eingesetzt hat, dessen Umwandlung noch nicht abgeschlossen ist. Dieser Erklärungsnotstand soll dem stellvertretenden jugoslawischen Regierungschef Miroljub Labus nützen. Labus ist ein erklärter Reformer und der einzige, der Chancen hat Kostunica zu schlagen, sollte dieser tatsächlich antreten. Sämtliche Nebel um die Wahl des serbischen Prä-sidenten werden sich erst am Abend des achten September lichten, denn bis dahin müssen alle Politiker erklären, ob sie kandidieren oder nicht. Die Zahl der Kandidaten kann auch den Aus-gang des ersten Durchgangs der Wahl beeinflussen. Denn mehrere nationalistische Kandida-ten könnten die Zahl der Stimmen für Kostunica schmälern und die Chance von Labus er-höhen, in der ersten Runde die nötigen 50 Prozent plus eine Stimme aller abgegebenen Stim-men zu erhalten. Schafft Labus das nicht, steigen Kostunicas Chancen, denn die oppositio-nelle Wählerschaft ist eher für ihn als für Labus. Beeinflussen werden den Ausgang der Wahl zweifellos diverse die Kampagnen der Kandidaten sowie diverse Affären, die die beiden ver-feindeten Blöcke einander anlasten; denn noch fast jeder Fünfte Wähler ist unentschlossen. Wir groß dieser Einfluß ist, bleibt abzuwarten. Sicher ist jedoch, daß die Präsidentenwahl eine Richtungswahl sein wird, die nicht nur das Schicksal Serbiens, sondern auch des gesamten Balkan beeinflussen wird. Gewinnt Miroljub Labus bedeutet das zweifellos einen weiteren Schub für die Reformen und eine deutliche Absage an nationalistische Positionen. Siegt dagegen Vojislav Kostunica wird der Machtkampf mit Zoran Djinjdic in eine neue Phase eintreten und die Reformen sowie die Rückkehr Serbiens nach Europa werden noch länger dauern und damit für die Bevölkerung noch schmerzhafter sein als das ohnehin bereits der Fall ist.

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