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TV-Duell Labus-Kostunica

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In Belgrad hat gestern abend das erste Fernsehduell zwischen Politikern in der Geschichte Serbiens stattgefunden Anlaß dafür war die Stichwahl für das Amt des serbischen Präsidenten am kommenden Sonntag. Aufeinander trafen der jugoslawische Präsident Vojislav Kostunica und der Reformpolitiker Miroljub Labus. Beide haben im ersten Wahlgang vor knapp zwei Wochen das beste Ergebnis erzielt. In Belgrad hat unser Balkan-Korrespondent Christian Wehrschütz das TV-Duell beobachtet und folgenden Bericht gestaltet:

Die Fernsehkonfrontation zur Stichwahl des serbischen Präsidenten begann und endete mit einem Handschlag zwischen Vojislav Kostunica und Miroljub Labus und mit einem Aufruf, zur Wahl zu gehen. Damit waren die Gemeinsamkeiten erschöpft, auch was das Auftreten der beiden betraf. Kostunica wirkte ruhig, manches Mal sogar gehemmt, wenn seine Finger den Mund bedeckten, während er sprach; Labus wirkte in Körpersprache und Stimme weit aggressiver, verwendete viele Daten, um die Reformerfolge darzustellen. Den Unterschied zu Kostunica charakterisierte Labus so:

„Erstens bin ich Wirtschaftsexperte und ich kann alle wichtigen Türen zu den internationalen Finanzinstitutionen öffnen, ich hatte Ergebnisse, die allen bekannt sind. Zweitens bin ich fähig, mit anderen zusammenzuarbeiten und ich habe ein Team, das Probleme lösen kann.“

Labus spielte damit auf den Konflikt zwischen Kostunica und dem serbischen Ministerpräsi-denten Zoran Djindjic an. Darauf ging Kostunica nicht direkt ein, zitierte aber Medien-berichte über angebliche Verbindungen zwischen Dindjic und einem Mafiaklan, ohne Beweise vorzulegen. Sich selbst präsentierte Kostunica als Hüter des Rechtsstaates:

„Sie sprechen über fehlende Investitionen, doch die haben wir nicht, weil wir keine staat-lichen Institutionen haben, die Vertrauen einflößen. Wir haben Reformen ohne Rechtsvor-schriften, ohne Gesetze, ohne Herrschaft des Rechts und das ist nicht gut.“

Generell sah Kostunica das serbische Reform-Glas halb leer, Labus dagegen halb voll.

Das Duell dauerte 120 Minuten und fand nach genauen Spielregeln statt. Zunächst wurden die Themen Wirtschaft, Internationale Beziehungen, Sozialpolitik, Staat und Verfassung sowie Rechtsstaat erörtert. Dann beantworteten die Politiker Journalisten-Fragen sowie zwei Schlußerklärungen.

Welche Wirkung das Duell auf die Wähler hat, ist fraglich, denn die Konfrontation wirkte oft nicht wie die Debatte zweier Politiker, sondern zweier Universitätsprofessoren. Unbekannt ist derzeit noch die Zuschauerzahl. Zwar übertrugen vier nationale TV-Stationen direkt, doch die Konkurrenz war groß. Fast zeitgleich fanden das Basketballspiel Real Madrid gegen Partisan Belgrad und das Volleyballspiel Jugoslawien – Portugal statt, eine große Versuchung für die sportbegeisterten Serben. Auch Ministerpräsident Zoran Djindjic sagte, er werde Zappen, das Basketballspiel interessiere ihn ebenfalls. Djindjic könnte gelegen kommen, daß weniger als 50 Prozent aller Stimmberechtigten zur Wahl gehen, dann müßte die gesamte Wahl wiederholt werden und Djindjic gewänne Zeit. Ist die Wahl gültig und gewinnt wie erwartet Kostunica, so will dieser seinen Hauptgegner Djindjic stürzen und Neuwahlen herbeiführen. Kostunica war der einzige der seinen Wahlkampf weiterführte. Miroljub Labus beschränkte sich auf das TV-Duell, selbst seine Plakate waren in Belgrad nicht mehr zu sehen. Die Gefahr, daß die Stichwahl am fehlenden Quorum scheitert ist real; bereits im ersten Durchgang lag die Wahlbeteiligung bei nur 55 Prozent und erfahrungsgemäß ist sie in der Stichwahl stets niedriger.

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