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Gesetz zum Haager Tribunal in Serbien

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Berichte Serbien
In Belgrad hat dasjugoslawische Bundesparlament ein Gesetz über die Zusammenarbeit mit dem Haager Kriegsverbrecher Tribunal verabschiedet. Das Gesetz regelt auch die Auslie-ferung jugoslawischer Staatsbürger an das Tribunal. In Serbien aber auch zwischen serbischen und montenegrinischen Politikern dauerte der Streit um das Gesetz mehr als ein Jahr. Die Auslieferung von Slobodan Milosevic vollzogen die serbischen Reformer vergangenen Juni daher auf der Grundlage einer Verordnung der serbischen Regierung, die die direkte Anwen-dung des Statuts des Haager Tribunals vorsah. Daß nun ein Gesetz verabschiedet werden konnte liegt daran, daß die USA massiven Druck auf Jugoslawien ausgeübt haben. Washington drohte mit dem Aussetzen der Finanzhilfe und dem Entzug der internationalen Unterstützung, sollte Belgrad nicht mit dem Tribunal kooperieren. Nach der nunmehrigen Verabschiedung des Gesetzes sind weitere Auslieferungen mutmaßlicher Kriegsverbrecher bereits in den kommenden Tagen zu erwarten. Aus Belgrad berichtet Christian Wehrschütz:

Das vom Bundesparlament in Belgrad verabschiedete Gesetz regelt nicht nur die Auslie-ferung, sondern auch die gesamte Zusammenarbeit mit dem Haager Tribunal. Trotzdem ist der Teil über die Auslieferung der wichtigste und vor allem umstrittenste gewesen. In diesem Zusammenhang sieht das Gesetz nun ein mehrstufiges Verfahren vor. Der Antrag auf Aus-lieferung wird vom jugoslawischen Justizministerium an das zuständige Gericht, in der Regel an das Kreisgericht in Belgrad zugeleitet. Das Gericht kann, muß aber nicht, in der Folge die Untersuchungshaft über den Auslieferungskandidaten verhängen. Im Verfahren selbst prüft das Gericht, ob die Voraussetzungen für die Auslieferung gegeben sind. Diese Prüfung ist eine formelle und keine materielle, sprich inhaltliche. So wird untersucht, ob eine Richter des Tribunals die Anlage bestätigt hat, ob es sich um eine Straftat handelt für die das Tribunal zuständig ist und ob die Tat auch nach jugoslawischem und serbischem Recht strafbar ist. Sind diese Voraussetzungen gegeben, so wird dem Auslieferungsantrag stattgegeben. Daraufhin hat der Beklagte drei Tage Zeit zu berufen. Die nächst höhere Instanz muß dann ebenfalls binnen drei Tagen darüber entscheiden, wobei ein weiteres Rechtsmittel gegen eine bestätigende Entscheidung dann nicht zulässig ist. Die Auslieferung verfügt dann das jugo-slawische Justizministerium, die vom serbischen Innenministerium durchgeführt wird.

Diese im Gesetz geregelte Verfahren wird zunächst nur auf jene etwa 20 Personen ange-wandt werden, für die das Haager Tribunal in Belgrad eine Auslieferung bereits beantragt hat. In diesem Zusammenhang ist das Gesetz ein Spezialgesetz; das war die Schlüsselbedingung des montenegrinsichen Koalitionspartners SNP für die Zustimmung zum Gesetz, die eine politische Kehrtwendung darstellt. Die SNP beugte sich nur unter massivem westlichem und serbischen Druck, will jedoch keine Verantwortung für weitere mögliche Auslieferungen übernehmen, die auch Montenegriner betreffen könnte. Diese Ausnahmeregelung ist jedoch nicht besonders wichtig, denn mit dem bevorstehenden Umbau Jugoslawiens zum Staat Serbien und Montenegro werden neue politische Verhältnisse einkehren, die eine endgültige Regelung der Beziehungen Belgrad – Den Haag erleichtern werden. Schließlich muß nur eine einschränkende Bestimmung gestrichen werden. Darüber hinaus legt das Gesetz auch fest, daß parlamentarische oder politische Immunität nicht vor Auslieferung schützt. Daher könnte theoretisch auch der serbische Präsident Milan Milutinovic schon bald in Den Haag landen. Im Gesetz verankert ist auch die Bildung eines Ausschusses, der die Häftlinge in Den Haag und deren Familien unterstützen soll.

Das Gesetz selbst ist ein wichtiger Schritt zur Entspannung der politischen Lage vor allem in Serbien. Gegner und Befürworter der Auslieferung haben unter westlichem Druck einen Kompromiß gefunden, der den Konflikt zwischen den Lagern in der Reformkoalition DOS entschärfen könnte. Juristisch gesehen zeigt das Gesetz jedoch auch, wie schwierig der Weg zum Rechtsstaat noch immer ist. Denn die Verabschiedung des Gesetzes erfolgt ohne Änderung der Verfassung Jugoslawiens und Serbiens, die eine Auslieferung untersagen. Trotzdem haben sich alle reformorientierten politischen Lager nun zu diesem Schritt entschlossen, denn im Bundesparlament verfügen die Reformer über keine Zweidrittel-mehrheit und die jugoslawische Verfassung wird demnächst bereits Geschichte sein.

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