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Radio und Fernsehgesetz

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Unter Slobodan Milosevic war das staatliche Fernsehen ein Instrument der Propaganda und die unabhängigen Medien in Serben Repressionen und Schikanen ausgesetzt. 18 Monate nach Milosevics Sturz hat das serbische Parlament nun ein Gesetz über die Verbreitung von Radio und Fernsehen verabschiedet. Obwohl an dem Gesetz auch Experten unabhängiger Medien mitgearbeitet haben, ist eine völlige Entpolitisierung nicht gelungen. Trotzdem ist das Gesetz ein wichtiger Fortschritt auf dem Weg in Richtung Demokratisierung, weil ein rechtloser und chaotischer Zustand nun durch ein Gesetz ersetzt wird, das in vielen Bereichen europäischen Standards entspricht. Unser Balkan-Korrespondent Christian Wehrschütz hat sich die Debatte über das Gesetz und die Lage der Medien verfolgt und folgenden Bericht gestaltet:

10 Gesetzesentwürfe und mehrere hundert Abänderungsanträge mußten bewältigt werden, ehe das serbische Parlament das Gesetz über die Verbreitung von Radio und Fernsehen endlich verabschieden konnte. Beteiligt waren an der Ausarbeitung serbische Experten aber auch Ver-treter der EU, des Europarates und der OSZE, der Organisation für Sicherheit und Zusammen- arbeit in Europa. Das staatliche Fernsehen RTS, einst Propagandainstrument, wird nun in eine Art öffentlich-rechtliche Anstalt umgewandelt, die vor allem über Gebühren finanziert werden soll. Die kleineren Stationen, die im Eigentum der Städte und Gemeinden stehen, sollen bin-nen vier Jahren privatisiert werden. Kernstück des neuen Gesetzes ist eine Agentur, die aus 9 Mitgliedern bestehen wird. Ihre Aufgabe ist es, die Frequenzen zu vergeben und über die Einhaltung journalistischer Standards zu wachen. Politiker und führende Parteifunktionäre dürfen der Agentur nicht angehören; weitere Unvereinbarkeitsbestimmungen sollen gewähr-leisten, daß bei der Entscheidung etwa über Frequenzen keine persönlichen Interessen im Spiel sind. Trotzdem bleibt ein politischer Einfluß gewahrt, denn alle 9 Mitglieder der Agen-tur werden von Parlament bestellt. Je zwei nominieren Regierung und Parlament Serbiens und der Autonomen Provinz Vojvodina. Weitere vier nominieren die Universitäten, Kirchen, Journalisten- und Nichtregierungsorganisationen. Das neunte Mitglied muß aus dem Kosovo stammen und wird von den anderen acht bestellt. Ursprünglich hätte die Agentur 15 Mit-glieder haben sollen; doch senkte die Regierung die Zahl auf 9. Veran Matic, Chefredakteur des unabhängigen TV-Senders B 92, befürchtet daher auch, daß bei der Frequenzzuteilung auch politische Faktoren eine Rolle spielen könnten:

„Hätte die Regierung eine Entpolitisierung gewollt, hätte sie den alten Vorschlag im Zusam-menhang mit der Agentur belassen, die die Frequenzen vergibt. Doch nun hat die Regierung sich den Haupteinfluß in dieser Agentur gesichert und es besteht die große Gefahr des Miß-brauches. Bestimmet politische Gruppen in Serbien werden sicher die Frequenzvergabe beeinflussen wollen und daher könnten aus politischen Gründen einige Stationen keine Frequenz bekommen.“

Politische Faktoren werden zweifellos nicht völlig auszuschalten sein; so gibt es in Serbien etwa 1000 Radio- und etwa 300 TV-Stationen. Dieser Zahl soll mit der Frequenzzuteilung halbiert werden. Trotzdem ist das Gesetz ein wichtiger Beitrag zur Demokratisierung; denn der parteipolitische Einfluß wird auf ein Maß reduziert, das durchaus auch in anderen euro-päischen Staaten zu finden ist. Der gravierende Unterschied zu vielen Staaten der EU liegt jedoch darin, daß es noch keinen Quellenschutz für Journalisten gibt und daß der Rechtsstaat generell schwach entwickelt ist. Veran Matic:

„Das grundsätzliche Problem ist, daß es hier keinen Rechtsstaat gibt. Wir haben kein funktionierendes Justizsystem, das europäischen Standards entspricht. Und dort besteht daher die Möglichkeit, daß der Recht bekommt, der die größte politische Macht hat. Und damit wird der demokratische Charakter jedes Gesetzes eingeschränkt. Es fehlt auch ein Gesetz, daß den Zugang zu Informationen gewährleistet und die Regierung verpflichtet, Journalisten zu infor-mieren. Die direkte Folge davon ist die große Zahl an Boulevardblättern, die völlig ungeprüfte Spekulationen und Falschinformationen veröffentlichen. Würde die Regierung entsprechend informieren, würde auch die Zahl der Berichte sinken, die sich Journalisten ausgedacht haben und ausdenken, weil sie von der Regierung keine Information erhalten.“

Nicht mehr beseitigt kann auch die wirtschaftliche Benachteiligung jener Stationen, die mit der Opposition den Sturz von Milosevic vor 18 Monaten herbeigeführt haben. Dazu sagt der Chefredakteur von B92, Veran Matic:

„Wir schlugen damals vor, daß all jene, die aus politischen Gründen keine Frequenz bekamen, eine befristete Sendegenehmigung bekommen, die gültig bleibt, bis ein neues Gesetz besteht und die Ausschreibung der Frequenzen erfolgt. Damit hätten wir in dieser Zeit als normale Medien arbeiten können. Doch die Bundesregierung akzeptierte unseren Vorschlag nicht sondern verhängte ein Moratorium für die Frequenzzuteilung. Damit wurde praktisch der Zustand eingefroren, den Milosevic hinterlassen hatte. Die, die privilegiert waren, blieben es. 18 Monate sind seither vergangen und die, die diskriminiert waren, sind es noch immer. Das ist eine große Ungerechtigkeit gegenüber den unabhängigen Medien, die der Opposition zur Macht verhalfen.“

Denn auch in Serbien sind auch demokratischen Politikern beeinflußbare Journalisten lieber als jene, die in schwerer Zeit ihre Standfestigkeit und Unabhängigkeit bewiesen haben.

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