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Es ist alles sehr kompliziert: Der Machtwechsel in Belgrad verläuft chaotisch

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Berichte Serbien
In Belgrad gibt es knapp eine Woche nach dem Sturz von Slobo-dan Milosevic bereits Anzeichen für Spannungen innerhalb des siegreichen Oppositionsbündnisses DOS. So sagte der jugo-slawische Präsident Vojislav Kostunica in einem Zeitungs-interview, er habe beim Aufbau neuer Strukturen fast genauso viele Probleme mit seinen Freunden wie mit den alten Macht-eliten. Kostunica kritisierte, DOS-Politiker gäben Stellung-nahmen ohne Absprache mit ihm ab; außerdem werde versucht, auf illegalem Wege die Kontrolle über Ministerien und Firmen zu erlangen, die bisher von Milosevic-Vertrauten kontrolliert worden seien. Namentlich griff Kostunica den strategischen Kopf der DOS-Allianz, Zoran Djindjic, an. Dieser versuche, den Volksaufstand gegen Milosevic weiter am Kochen zu halten; das könne zur Verwirrung führen, sagte Kostunica. Djindjic hat der Sozialistischen Partei Serbiens mit neuen Massendemonstra-tionen gedroht, sollte sie nicht umgehend vorgezogenen Neu-wahlen in Serbien und der Bildung einer Übergangsregierung zustimmen. Diese Forderungen vertritt zwar auch Kostunica, doch verfolgt er einen legalistischen Ansatz, während Djidnjic offensichtlich eine revolutionäre Strategie verfolgt. Weiters soll Djindjic auch das Ziel haben, den serbischen Präsidenten Milan Milutinovic zum Rücktritt zu zwingen. Der serbische Prä-sident wird regulär erst im Jahre 2002 neu gewählt, während die serbische Parlamentswahl regulär erst im kommenden Sommer fällig ist.

Die Rivalität zwischen Djindjic und Kostunica erinnert fatal an die Spannungen zwischen Vaclav Havel mit seinem Regierungs-chef Klaus in Tschechien, nur daß in Tschechien der Kampf gegen den Kommunismus bereits gewonnen war. Doch nicht nur Djindjic hat Probleme mit seiner Rolle als Nummer zwei hinter Kostunica. Insgesamt erliegen jetzt viele DOS-Politiker und deren Anhang der Versuchung, mit den alten Machteliten auf allen politischen und wirtschaftlichen Ebenen abzurechnen. Das erschwert den Übergang vor allem in Serbien, wo von den Sozia-listen und den Radikalen verlangt wird, mit einem Neuwahlbe-schluß gleichsam politisch Selbstmord zu begehen. Denn sollte es tatsächlich zu vorgezogenen Parlamentswahlen kommen, wird der Sieger DOS heißen.

Doch nicht nur der Kampf um die jugoslawische Teilrepublik Serbien ist noch nicht gewonnen; auch die Bildung einer jugo-slawischen Regierung stockt. Denn die montenegrinische Führung will nur ein Expertenkabinett akzeptieren; der frühere Milose-vic-Koalitionspartner, die montenegrinischen Sozialisten, sind zur Zusammenarbeit mit der Allianz DOS bereit, beanspruchen aber das Amt des Regierungschefs. Hinzu kommt, daß auch der DOS-Kurs in dieser Frage widersprüchlich ist, und daß das Bundesparlament wegen des Einspruchs von 19 Mandaten wegen Wahlbetruges noch nicht voll handlungsfähig ist. Völlig klar ist in diesem Machtpoker bisher nur die Haltung der Streit-kräfte. Sie stehen nun loyal zu Kostunica; ihre Führung wird zumindest vorläufig im Amt bleiben, auch wenn das einigen DOS-Politikern nicht paßt, die selbst etwa den Posten des Genstabschefs beanspruchen.

Die 18 Parteien der Allianz DOS zusammen zu halten ist für Kostunica offenbar ebenso schwierig wie das Zurückdrängen des Einflusses der alten Machteliten und die Bildung einer neuen jugoslawischen Regierung. In dem Zeitungsinterview kritisierte Ins Stocken geraten ist offensichtlich auch die Bildung einer jugoslawischen Regierung. Grund dafür dürfte ein Konflikt darüber sein, wer neuer Regierungschef wird. Diese Posten wird von der Sozialistischen Volkspartei Montenegros beansprucht; der montenegrinische Präsident Milo Djukanovic will das jedoch nicht akzeptieren.

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