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Jugoslawien wählt

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Berichte Serbien
11 Stunden nach dem Ende der Wahlen in Jugoslawien liegt noch immer kein inoffizielles Ergebnis für eine der Wahlen vor. Die Zentrale Wahlkommission in Belgrad hat noch keine Stellungnahme abgegeben und auch die Auszählung der Stimmen ist noch nicht abgeschlossen. Was die Präsidentenwahl betrifft, so behaupten Regierungsparteien und „Demokratische Opposition Serbiens“ gleichermaßen ihr Kandidat habe gesiegt. Das Wahlbündnis aus Sozialisten und Jugoslawischer Linken erklärte Slobodan Milosevic habe gewonnen. Dagegen sieht die Opposition Vojislav Kostunica als eindeutigen Gewinner der Wahl. Kostunicas Anhänger haben trotz der unklaren Situation in der Nacht in Belgrad und anderen serbischen Städten gefeiert. Aus Belgrad berichtet Christian Wehrschütz:

Text:

„Rette, Rette Serbien, oh Slobodan und bring dich um!“, skandierten die Gegner des jugoslawischen Präsidenten Slobodan Milosevic immer wieder in der Belgrader Innenstadt. Das vom serbischen Staatsfernsehen auf dem Platz der Republik organisierte Konzert fand dagegen nur wenig Anklang. Die Nacht verlief weitgehend friedlich, obwohl die Polizei zunächst Anhänger und Gegner der Regierung auseinander zu halten hatte. Hunderte Bürger waren in Belgrad und Tausende in ganz Serbien auf den Straßen, um zu feiern und um von der Opposition über Einzelergebnisse informiert zu werden. Die Hoffnungen der Kostunica-Wähler drückten diese beiden Belgrader so aus:

„Wir erwarten uns in diesem Land Veränderungen und daß Vojislav Kostunica und DOS gewinnen werden, ich habe für sie gestimmt.“

Ich erwarte mir Veränderungen, ein besseres und schöneres Leben für diese Volk und dieses Land. Denn nach 13 Jahren denke ich, daß schließlich die Zeit für ein normales Leben gekommen ist.“

Ob die Zeit dafür wirklich gekommen ist, ist noch nicht ganz klar. Denn noch immer gibt es keine wirklich verläßlichen Angaben über den Ausgang der Wahlen. Unklar ist auch, wie viele Stimmen bereits ausgezählt wurden und wie hoch die Wahlbeteiligung war. Die Rede ist von 75 Prozent, das wären etwa 4,7 Millionen Wähler. Hinzu kommt, daß die Angaben des regierenden Wahlbündnisses aus Sozialisten und Jugoslawischer Linken unterschiedlich sind. So behaupt ein führender Sozialist nun, Slobodan Milosevic habe bei der Präsidentenwahl 44 Prozent erreicht, während sein demokratischer Herausforderer Vojislav Kostunica bei 41 Prozent liege. Dagegen behauptet die Jugoslawische Linke, Milosevic habe die Präsidentenwahl mit 56 Prozent bereits im ersten Durchgang gewonnen und Kostunica habe 31 Prozent erreicht. Genau spiegelverkehrt lautet die Stellungnahme der „Demokratischen Opposition Serbiens“. Nach ihren Angaben hat Kostunica schon im ersten Wahlgang die nötige absolute Mehrheit erreicht. Diese Angaben klingen plausibler, denn auch die oppositionelle serbische Erneuerungsbewegung und Serbische Radikale Partei, Milosevics Koalitionspartner, sehen Kostunica als Sieger. Für sie ist allerdings noch offen, ob Kostunica bereits im ersten Wahlgang die absolute Mehrheit geschafft hat. Sein Wahlbündnis DOS soll auch bei den serbischen Kommunalwahlen triumphiert und bei den Parlamentswahlen sehr gut abgeschnitten haben. Die Zentrale Wahlkommission soll erst heute eine Stellungnahme abgeben. Trotzdem stehen ein Verlierer und ein Sieger bereits klar fest. Die bisher größte serbische Oppositionspartei SPO wurde nach allen Angaben marginalisiert. Und in Montenegro hat die Bevölkerung den Wahlboykott der prowestlichen Regierungskoalition weitgehend befolgt; denn die Wahlbeteiligung dürfte nur etwa 25 Prozent betragen haben. In Serbien lautet die entscheidende Frage derzeit, wie Milosevic auf eine allfällige Niederlage reagieren wird und ob doch noch massive Manipulationen festzustellen sind, die nächsten Stunden und Tage werden es zeigen.

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