Ratko Mladic und Serbien am Tag danach
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Berichte Serbien
Berichtsinsert: Christian Wehrschütz aus Serbien
Aufsager: Christian Wehrschütz aus Belgrad
Gesamtlänge: 2’20
Bis vor zwei Tagen war Lazarevo 80 Kilometer von Belgrad entfernt ein unbedeutendes Dorf der Vojvodina. 3.000 Serben wohnen hier, die meisten haben bosnische Vorfahren, die nach dem Zweiten Weltkrieg, nach der Vertreibung der Volksdeutschen, hier angesiedelt wurden. Gemeinsame Abstammung verbindet, und ein Held ist Ratko Mladic für die Bewohner zweifellos:
„Das war ein spontaner Vorschlag, dass die Straße, in der Ratko Mladic verhaftet wurde, nun Mladic-Straße und unser Dorf Mladicevo heißen soll. Doch gemach, ob es dazu kommt, das ist ein längerer Prozess.“
Die Polizeiaktion im Dorf und die Verhaftung von Ratko Mladic werden einhellig verurteilt:
„ Das ist eine Blamage und eine Schande für Bewohner Serbiens.“
Wie so viele Bewohner von Lazarevo lebt auch Mladics Verwandter Branko vor allem von der Landwirtschaft. Interviews gibt er keine. Seine Nachbarn und alle anderen Dorfbewohner wollen jedenfalls nichts vom Aufenthalt des mutmaßlichen Kriegsverbrechers gewusst haben:
„Ihn hat hier keiner je gesehen. Das ist wirklich traurig, dass die Leute hier so schlecht behandelt werden.“
Von der gestrigen Polizeiaktion wurde das Dorf jedenfalls völlig überrascht. Trotz ihrer Sympathie für Mladic blieben die Bewohner aber ruhig. In der Provinzhauptstadt Novi Sad demonstrierten dagegen gestern 500 Jugendliche für Mladic; Ausschreitungen verhinderte die Polizei hier ebenso wie in Belgrad. Insgesamt wurden in Serbien 86 Personen festgenommen. In diesem Gebäude des Sondergerichts für Kriegsverbrechen in Belgrad sitzt nun auch Ratko Mladic in Haft. Der Gesundheitszustand des 69-jährigen soll schlecht sein; Mladics Vernehmungsfähigkeit ist umstritten Aus dem einst mächtigen General wurde ein alter Mann, der kommende Woche ans Haager Tribunal ausgeliefert wird.