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Probleme, Herausforderungen und wirtschaftliche Perspektiven des Kosovo

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Am 17. Februar erklärte die albanisch dominierte, ehemalige serbische Unruheprovinz Kosovo ihre Unabhängigkeit. Neun Jahre nach dem NATO-Krieg endete damit der ungeklärte Status der Provinz, die derzeit noch von der UNO verwaltet wird. An ihre Stelle treten soll ein EU-Mission, und die meisten EU-Mitglieder haben den Kosovo als Staat bereits anerkennt. Brüssel schätzt die Finanzhilfe bis zum Jahre 2010 auf eine Milliarde Euro, die diese Mission und die Hilfe kostet, damit sich der Kosovo entwickeln kann. Die Zweifel an der wirtschaftlichen Überlebensfähigkeit des Kosovo sind jedenfalls groß. Der jüngst Staat Europas ist etwa so groß wie Tirol und zählt zwei Millionen Einwohner, 90 Prozent davon sind Albaner. Die Hälfte der Einwohner ist jünger als 25 Jahre, die Arbeitslosigkeit wird auf 40 Prozent geschätzt. Das gesamte Budget des Kosovo betrug 2006 nur 700 Millionen Euro und Ausfuhren im Wert von weniger als 100 Millionen Euro standen Importe von mehr als einer Milliarde Euro gegenüber. Hinzu kommt das katastrophale Image, ein Hort von Organisierter Kriminalität und Korruption zu sein. Doch diese Darstellung kann wohl nur ein Teil der Wahrheit sein, sonst wäre etwa die Raiffeisenbank nicht seit Jahren erfolgreich im Kosovo tätig. Über die Probleme und die wirtschaftlichen Perspektiven des Kosovo hat unser Balkan-Korrespondent Christian Wehrschütz folgenden Beitrag gestaltet:

Berichtsinsert: Christian Wehrschütz aus dem Kosovo

Insert1: 0’35 Besim Beqai, Kosovarische Handelskammer

Insert2: 3’04 Astrit Hyseini, Jungunternehmer in Prishtina

Insert3 3’29 Shkumbin Brestovci, Jungunternehmer in Prishtina

Insert4: 4’01 Astrit Hyseini, Jungunternehmer in Prishtina

Insert5: 6’07 Osvelda Qafa, Raiffeisen Kosovo

Insert6: 6’28 Besim Beqai, Kosovoarische Handelskammer

Gesamtlänge: 7’30

Am 17. Februar herrschten in der Hauptstadt Prishtina Euphorie und Freudentaumel. Die Albaner feierten die Unabhängigkeit und damit das definitive Ende der serbischen Herrschaft.

Der Kosovo wurde ein Staat, der jedoch wegen des Widerstands aus Russland auf absehbare Zeit keine Chance hat, in die UNO aufgenommen zu werden. Trotzdem soll der nun geklärte Status auch wirtschaftliche Vorteile bringen:

„Kosovo kann nun bilateral mit internationalen Finanzinstitutionen über Kredite verhandeln. Bisher konnte der Kosovo mit diesen Institutionen keine Verträge abschließen. Nun werden Fonds für die Entwicklung offen stehen. Das ist eine große Chance für die Wirtschaft. Wir haben einen starken Bankensektor; er wird weiter gestärkt werden durch Mittel, die von Finanzinstitutionen kommen werden, und zwar für die Finanzierung von Klein- und Mittelbetrieben und für ihre Wettbewerbsfähigkeit in- und außerhalb des Kosovo.“

Frisches Geld braucht der Kosovo auch für die katastrophale Infrastruktur. Autobahnen fehlen völlig und viele Straßen sind in schlechtem Zustand.

Hinzu kommen massive Stromengpässe, die das täglich Leben und auch jede wirtschaftliche Tätigkeit erschweren.

Die ungesicherte Stromversorgung – trotz Investitionen von einigen hunderten Millionen Euro - ist nicht nur die Schuld der Kosovaren. In Misswirtschaft und Korruption im Energiesektor waren auch Internationale verwickelt.

Internationale Organisationen sind direkt und indirekt die größten Arbeitgeber im Land. Davon leben zu einem guten Teil auch die vielen kleinen Kaffehäuser uns Restaurants. Der Kleinhandel dominiert, dazu zählt auch der Straßenverkauf von legal eingeführten oder geschmuggelten Zigaretten, die überall erhältlich sind.

Die meisten Waren werden importiert; das gilt auch für Lebensmittel; die Landwirtschaft ist unterentwickelt; vielen Bauern fehlen Fachwissen und Mechanisierung, obwohl es durchaus moderne Molkereien und eine großes Entwicklungspotential gibt.

Nicht unterschätzt werden sollte auch das Potential für die Wirtschaft insgesamt, wie die Firma Rrota in Prishtina zeigt. Gegründet haben sie zwei Albaner, die 10 Jahre in Österreich gelebt haben. Astrit Hyseini studierte in Wien Informatik, Shkumbin Brestovci Sprachwissenschaften. Hyseini entwickelt für eine österreichische Firma zwei Softwarepakte für elektronisch gesteuerte Safes sowie für Tag-und-Nacht-Tresore, die per Fingerabdruck geöffnet werden können:

„Ich kenne sehr viele Jungunternehmer so wie ich, die im Ausland studiert und gearbeitet haben und die zurückgekehrt sind. Durch die Status-Frage haben einfach die Rahmenbedingungen gefehlt. Ich bin da sehr optimistisch. Insbesondere im Dienstleistungsbereich kann man da etwas tun, Stichwort Indien so etwas.“

Gegen die regelmäßigen Stromausfälle hat sich auch diese Forma gewappnet:

"Es gibt ein paar Stunden pro Tag, wo es keinen Strom gibt; dafür haben wir die Lösung, die sie da gesehen haben, als den Invertor mit Batterien, die also diese Auszeiten ausgleichen mit Batterien, und damit arbeiten wir halt.“

Die Firma Rrota hat drei Standbeine; neben dem IT-Bereich gibt sie eine Kinderzeitung heraus, und ist auch im Webdesign und in der Werbung tätig. Beschäftigt werden 20 Mitarbeiter, vorwiegend Studenten der Universität Prishtina:

„Die Einstellung passt; von der Ausbildung her, muss man noch etwas tun, das noch mehr einen Bezug zur Praxis hat, aber sie sind motiviert, und sie möchten weiter kommen.“

Doch nicht nur auf der Jugend ruht die Hoffnung, sondern auch auf Rohstoffen. Neben Nickel und Zink verfügt der Kosovo über große Braunkohlevorkommen. Sie könnten die Basis für ein Kraftwerk sein, das bis 2012 gebaut werden soll. Die Bergwerke stammen aus jugoslawischer Zeit, ebenso wie der Industriegigant Balkan in Suva Reka. Einst arbeiteten hier 1800 Mitarbeiter; nach dem Kosovo-Krieg im Jahre 1999 stand der Betrieb lange still.

Vor zwei Jahren wurde „Balkan“ privatisiert und an eine türkische Firma verkauft. Nun werden wieder Transportbänder für die Industrie produziert; 80 Prozent gehen in den Export. 380 Personen haben wieder Arbeit, bis zum Jahre 2009 sollen es 700 sein.

Auch dieser Steinbruch zeigt, dass ausländische Firmen im Kosovo ein Potential sehen. 2006 kaufte ihn ein österreichischer Baukonzern. Der Steinbruch ist die Basis für eine Asphaltproduktion; vor allem dank ausländischer Finanzhilfe ist mit einer Modernisierung der Infrastruktur zu rechnen.

Bereits modernisiert wurde das Bankwesen des Kosovo, in dem der Euro die Währung ist. Raiffeisen ist mit 40 Filialen, 600 Mitarbeitern und 200.000 Kunden die zweitgrößte Bank. Verwaltet werden 400 Millionen Euro an Spareinlagen. Die Bank profitiert auch von ihrer Präsenz in Albanien und den vielen Gastarbeitern, die Geld überweisen. Bedeutend ist der Beitrag, den die Bank zur Modernisierung des Zahlungsverkehrs leistet:

„Wir haben E-Banking eingeführt, das war ein völlig neues Angebot, das bisher im Kosovo nicht angeboten wurde. Dabei hatten wir unseren Kunden zu erklären, wie das funktioniert, was die Vorteile sind und wie schnell er Zahlungen über das Internet tätigen kann, ohne in die Bank kommen zu müssen.“

Modern ist auch die Gesetzgebung:

„Die Gesetzgebung des Kosovo ist besser mit der EU-Gesetzgebung harmonisiert als in jedem anderen Land in der Region. Das geschah, weil in den neun Jahren der gemeinsamen Verwaltung zwischen der UNO und den Kosovoaren alle Gesetze in völliger Übereinstimmung mit der EU verabschiedet wurden. Das wird den Markteintritt ausländischer Firmen erleichtern, weil sie genau wissen, welche Gesetze es gibt und wie sie angewandt werden.“

Langsam und schlecht arbeiten jedoch die Gerichte. Das gilt aber nicht nur für den Kosovo, in dem die EU demnächst mit einer 1800 Personen umfassenden Polizei- und Justizmission präsent sein wird. Ihre Aufgabe ist es, den Aufbau des Rechtsstaates voranzutreiben. Und für die äußere Sicherheit sorgt weiter die Friedenstruppe KFOR. Denn der Kosovo wurde nur in eine bedingte Unabhängigkeit entlassen, ein Umstand der die Freunde der Albaner kaum beeinträchtigt hat.

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