Journalistenpreise für Serbien und den Kosovo
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Alle drei schwimmen in ihren Ländern gegen den Strom. Der Kosovo-Albaner Migjen Kelmende lässt in seinem Blatt regelmäßig auch serbische Stimmen zu Wort kommen und greift Missstände im Kosovo immer wieder auf. Die beiden Svetlanas produzieren eine wöchentliche Radiosendung mit dem Namen Pescanik. Sie wird vom Radio-Sender B 92 ausgestrahlt, hat 150.000 treue Hörer und dauert 90 Minuten. Darin kommen vor allem liberale Künstler und Intellektuelle zu Wort. Diese Gruppe steht in Serbien immer mehr mit dem Rücken zur Wand, denn der Einfluss der Nationalisten wird immer stärker. So ist erst vor wenigen Tagen ein Ultranationalist zum Präsidenten des serbischen Parlaments in Belgrad gewählt worden.
Berichtsinsert: Christian Wehrschütz aus Belgrad
Insert1: Svetlana Lukic, Radio-Journalistin
Insert2: Svetlana Vukovic, Radio-Journalistin
Insert3: Svetlana Lukic, Radio-Journalistin
Insert4: Migjen Kelmendi, Wochenzeitung Java
Gesamtlänge: 5’ 50
Am fünften Oktober 2000 bendete der Sturm auf das Bundesparlament in Belgrad die Herrschaft von Slobodan Milosevic. Groß waren die Hoffnungen in eine neue Zeit, die nach sieben Jahren jedoch verflogen sind. Doch nicht nur viele Reformen blieben stecken, auch die Aufarbeitung der Vergangenheit verläuft nur schleppend.
Ein Symbol dafür ist diese Hofeinfahrt in Belgrad. Hier wurde am 11. April 1999 der Journalist Slavko Curuvija unmittelbar vor seiner Wohnung erschossen. Curuvija zählte zu den schärfsten Kritikern von Slobodan Milosevic. Seine Zeitung Dnevni Telegraf wurde verboten. Milosevics Geheimdienstchef, soll Curuvijas Ermordung organisiert haben, doch Hintermänner und Täter sind noch immer nicht gefasst.
Stattdessen wurde acht Jahre später, im April 2007, wieder ein Anschlag auf einen prominenten Journalisten verübt. Verletzt wurde niemand, doch auch in diesem Fall sind die Täter unbekannt. Dejan Anastasijevic hat jahrelang über Kriegsverbrechen im ehemaligen Jugoslawien berichtet. Der Anschlag erfolgte knapp nachdem vier Serben wegen Kriegsverbrechen im Raum Srebrenica zu hohen Haftstrafen verurteilt worden waren.
Auch die Radiosendung Pescanik widmet sich oft der Vergangenheitsbewältigung:
„Unsere beherrschenden Themen sind Slobodan Milosevic, der Krieg in Jugoslawien von Slowenien bis zum Kosovo, das ist eine Periode von etwa 10 Jahren. Wir haben unsere Sendung fortgesetzt, weil wir glaubten, dass der Krieg noch nicht zu ende ist, obwohl die Bombardements vorbei sind; und zwar im Sinne des großserbischen Projekts, der Kriegsverbrechen, der Verletzung elementarer Menschenrechte in Serbien. Tatsache ist, dass sich Serbien nicht damit auseinandersetzt, was in diesen 10 Jahren geschehen ist.“
Pescanik, zu Deutsch „Das Stundenglas“ wird von Svetlana Lukic und Stevtlana Vukovic produziert und gestaltet. Interviews und Schnitt erfolgen in einer Privatwohnung im Zentrum Belgrads. Die wöchentliche Sendung ist ein politisches Magazin, ohne musikalische Auflockerung, mit mehreren Gesprächspartnern:
„In Serbien ist es sehr schwer, eine Nische zu schaffen, wo Menschen mit einer bürgerlichen Gesinnung, einer völlig zivilen und friedlichen Haltung, ihre ständige Stimme haben. Natürlich stellen diese Leute eine verschwindende Minderheit dar, was etwa die Vertretung bei Wahlen betrifft. So hat unsere Sendung „Das Stundenglas“ gezeigt, dass es diese Menschen gibt, und dass es Hörer gibt, die das hören.“
Das staatliche Radio und Fernsehen liegen klar auf Regierungslinie, während bei den fünf privaten TV-Sendern mit nationaler Lizenz der Kommerz regiert. Die etwa siebenhundert Radiosender dienen vorwiegend der Unterhaltung und haben kaum politischen Einfluss. Einflussreich ist dagegen die Boulevardpresse, in der jedoch nationalistische Töne dominieren.
Das Stundenglas ist somit ein klares Minderheitenprogramm. Politisch steht es der kleinen Liberalen Partei, LDP nahe. Sie übersprang bei den Wahlen Ende Jänner knapp die Fünf-Prozent-Hürde und zog ins Parlament ein. Die LDP ist die einzige Partei Serbien, die bereit ist, die Unabhängigkeit des albanisch dominierten Kosovo zu akzeptieren:
„Ich weiß, dass es politisch nicht korrekt ist, das im Westen jemanden zu sagen; doch in unserer Lebensspanne werden multikulturelles Leben oder Toleranz im Kosovo unmöglich sein; im besten Fall werden beide Volksgruppen nebeneinander leben; wenn man in den kommenden Jahrzehnten erreichen kann, dass es zu keinen großen Gewalttaten kommt, so ist das das Beste, was wir gewinnen können.“
Im Kosovo kämpfen für dieses Ziel ebenfalls nur Wenige, und die serbische Minderheit und ihre Kirchen müssen noch immer von der Friedenstruppe KFOR geschützt werden.
Um Aussöhnung bemüht sich auch Migjen Kelmendi. Er ist Herausgeber der Wochenzeitung Java, zu Deutsch „Die Woche“. Java zählt zu den wenigen Medien, in denen Kolumnisten aus Belgrad und serbische Intellektuelle zu Wort kommen. Doch auch andere heiße Themen greift Java auf: Korruption, Kriminalität, Machtmissbrauch. Zum kämpfen gilt es nicht nur gegen politischen Einfluss, sondern auch ums wirtschaftliche Überleben:
„Meine Unabhängigkeit zu bewahren und zu erhalten, dass ist eines der Hauptprobleme als Herausgeber einer kleinen Wochenzeitung im Kosovo. Wie kann man in einer Situation unabhängig werden, wenn der Zeitungsmarkt so klein ist, wenn es so schwierig ist zu überleben. Die meisten der Zeitungen versuchen jemanden zu finden, der die Verluste übernimmt, abdeckt und beim Überleben hilft.“
An die 10 Tageszeitungen erscheinen im Kosovo. Doch ihre tägliche Gesamtauflage erreicht nur etwa 20.000 Stück. Inserate sind angesichts der tristen Wirtschaftslage rar. Wichtigste Informationsquelle sind die drei nationalen Fernsehsender, wobei der quasi-staatliche Sender RTK dominiert. Das Gebäude durfte ohne Genehmigung nicht gefilmt werden. Weniger zurückhalten waren RTK-Journalisten vor drei Jahren. Die Ausschreitungen im März 2004 gegen die serbische Minderheit löste eine Falschmeldung über eine serbische Untat an albanischen Kindern aus. Auch das zeigt wie wichtig seriöse Journalisten für den Kosovo sind.