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Elend und Glanz der EU am Balkan

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Berichte Serbien
Das Jahr 2006 ist für den Balkan ein Schlüsseljahr. Mit dem Unabhängigkeitsreferendum in Montenegro und den Verhandlungen über den endgültigen Status des Kosovo werden heuer die letzen offenen territorialen Fragen geklärt. Außerdem wird in drei Staaten des ehemaligen Jugoslawien das Parlament neu gewählt. Die Lage am Balkan ist daher ein Schwerpunkt des informellen Treffens der EU-Außenminister, das morgen in Salzburg beginnt. Dabei sollen die Beitrittsperspektive der Region bekräftigt aber auch weitere Reformen eingemahnt werden. Erörtert wird auch die Frage, ob und wie die EU den Balkanstaaten Erleichterungen bei Visa-Regelungen gewähren kann. Gedacht ist an Sonderregelungen etwa für Studenten, Wissenschafter und Geschäftleute. Seit dem Sturz von Slobodan Milosevic in Serbien vor fast sechs Jahren, hat sich die Lage im ehemaligen Jugoslawien deutlich verbessert. Auch die EU hat ihr Engagement massiv verstärkt. Sie ist der größte Geldgeber der Region.

Berichtsinsert: Christian Wehrschütz aus Serbien

Aufsager: Christian Wehrschütz aus Belgrad

Gesamtlänge: 2’45

Der blutige Zerfall des alten Jugoslawien traf die EU vor 15 Jahren unvorbereitet. Militärisch und politisch handlungsunfähig, spielten noch im Kosovo-Krieg vor sieben Jahren die USA die erste Geige. Daher entwickelte Brüssel eine gemeinsame Außenpolitik. Sie war zum ersten Mal in Mazedonien erfolgreich. EU und NATO gelang es 2001, den Aufstand der Albaner zu beenden, ehe es zum Bürgerkrieg kam. In Mazedonien trat die EU militärisch am Balkan erstmals in Erscheinung. Der Test gelang, und seit Dezember 2004 ist auch Bosnien in der Hand der EU. 7.000 Soldaten der EUFOR sichern den Frieden; die EU-Polizeimission wiederum unterstützt den Kampf gegen die Organisierte Kriminalität. Eine ähnliche Aufgabe könnte die EU im Kosovo von der UNO übernehmen, sobald der Status der Provinz zwischen Serben und Albanern geklärt ist. EU-Polizisten sind an vielen Grenzen des Balkan im Einsatz. Schließlich kommen 80 Prozent des Heroins über die Balkan-Route nach Europa. Bessere Grenzkontrollen und fälschungssichere Pässe sind Voraussetzungen dafür, damit die EU Visa-Erleichterungen gewähren kann. Sie sollen für Geschäftsleute und Studenten gelten. Etwa 80 Prozent der Studenten der Universität Belgrad waren noch nie im Ausland; doch Isolation ist ein Nährboden für Vorurteile und Nationalitätenhass. Auch Investitionen in die Infrastruktur dienen der Anbindung des Balkan an Europa. So hat die EU den Aufbau der Donaubrücke bei Novi Sad finanziert, die im Kosovo Krieg zerstört wurde. Bessere Verkehrswege sollen die regionale Kooperation und die Reformen unterstützen, die Brüssel nicht immer erleichtert hat. So versäumte es die EU im Kosovo, eine Strategie der wirtschaftlichen Entwicklung zu formulieren. 70 Prozent aller Lebensmittel werden importiert, und sieben Jahre nach Kriegsende ist die Stromversorgung noch immer nicht gesichert. Zweifelhaft war auch die EU-Politik gegenüber Serbien und Montenegro. Die ungleichen Partner wurden in einen ineffizienten Staatenbund gezwungen; er dürfte nach dem Unabhängigkeitsreferendum Ende Mai in Montenegro Geschichte sein. Diese drei Jahre dauernde Zwangsehe wirkte sich zweifellos hemmend auf das Reformtempo in beiden Republiken aus.

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