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Haager Tribunal, Karla Del Ponte und der Balkan

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Berichte Serbien


Für das ehemalige Jugoslawien wird das Kriegsverbrecher Tribunal in Den Haag immer mehr zur Schlüsselfrage und zum Haupthindernis für die Annäherung an die Europäische Union. So könnte die für Mitte März geplante Aufnahme von Beitrittsverhandlungen mit Kroatien doch noch verschoben werden, weil der letzte noch gesuchte mutmaßliche Kriegsverbrecher nicht gefasst ist. Auch für Serbien und Bosnien-Herzegowina ist die mangelnde Zusammenarbeit mit dem Tribunal das Haupthindernis bei der Annäherung an EU und NATO. Gegründet wurde das UNO-Tribunal im Jahre 1993 als die Kriege im ehemaligen Jugoslawien in vollem Gange waren. Doch der erste Prozess fand erst 1997 statt. Seit damals wurden 35 Verfahren abgeschlossen. Mehr als 30 sind derzeit in Vorbreitung und 50 Personen warten im Gefängnis in Den Haag auf ihren Prozess. Spektakulärstes Verfahren ist der bereits drei Jahre dauernde Prozess gegen den früheren jugoslawischen Präsidenten Slobodan Milosevic. Seine Auslieferung vor fast fünf Jahren war der bisher größte Erfolg für Chefanklägerin Karla Del Ponte, der bekanntesten Vertreterin des Tribunals. Sie stammt aus der italienischen Schweiz und hat sich bereits im Kampf gegen italienische Mafia und Geldwäsche einen Namen gemacht. Del Pontes größter Misserfolg ist, dass die ehemaligen bosnischen Serbenführer Radovan Karadzic und Ratko Mladic auch nach zehn Jahren noch nicht gefasst sind. Doch Del Pontes Jagd nach Karadzic und Mladic wird immer mehr zum Wettlauf gegen die Zeit, weil aller Verfahren erster Instanz bis zum Jahre 2008 abgeschlossen sein sollen.

Insert 1: Karla Del Ponte, Chefanklägerin des UNO-Tribunals

Insert 2: Karla Del Ponte, Chefanklägerin des UNO-Tribunals

Insert 3: Karla Del Ponte, Chefanklägerin des UNO-Tribunals

Insert 4: Srdjan Bogosavljevic Meinungsforscher

Insert 5: Wolfgang Schomburg, Richter am Haager Tribunal

Insert 6: Karla Del Ponte, Chefanklägerin des UNO-Tribunals

Insert 7: Erhard Busek, Koordinator des EU-Stabilitätspaktes

Bericht: Christian Wehrschütz

Kamera: Ruud Willemstein,

Ton: Simon de Boorder

Schnitt: Mica Vasiljevic

Gesamtlänge: 7’29

Unzählige Aufrufe und einer Belohnung von fünf Millionen Dollar haben bisher nichts genutzt. Ratko Mladic, der ehemalige bosnische Serben-General, und der einstige Führer der bosnischen Serben, Radovan Karadzic, bleiben verschwunden. Sie gelten als hauptverantwortlich für das Massaker in Srebrenica, bei dem mehr als 7.000 Bosnjaken ermordet wurden. Das Gedenken als dieses Massaker jährt sich heuer zum zehnten Mal, doch alle Versuche der Friedenstruppe SFOR, Karadzic selbst in abgelegenen Dörfern zu verhaften, blieben erfolglos.

Im Dezember übergab die SFOR das Kommando an die EU-Truppe EUFOR. Sie übernahm auch die Aufgabe, mutmaßliche Kriegsverbrecher zu verhaften. Karadzic wird im bosnisch-montenegrinischen Grenzgebiet vermutet, das bewaldet und schwer zugänglich ist. Ratko Mladic könnte in einer der Bunkeranlagen in Serbien von der Armee geschützt werden, lautet eine der Spekulationen, die bisher nur ins Nichts führten.

„Ich sage, es ist ein Skandal, dass im Juli die internationale Gemeinschaft und die lokale Bevölkerung das Gedenken an Srebrenica durchführt und Karadzic und Mladic sind noch auf der Flucht. Ich habe mir gesagt, und ich habe es auch einigen Behörden gesagt, man sollte nicht wagen das Gesicht in Srebrenica zu zeigen, wenn man Karadic und Mladic nicht verhaftet hat. Denn beide sind die direkten Verantwortlichen für diesen Völkermord.

Doch das störte offensichtlich zunächst weder die internationale Gemeinschaft noch die bosnischen Behörden.

„Was wir festgestellt haben ist, dass in den ersten Jahren nach der Anklageschrift es hatte keinen politischen Willen, beide zu verhaften und sie haben sich frei bewegt. Sie haben sogar Interview gegeben, wir wissen alle oder? “

Zwar wird nun seit einigen Jahren ernsthaft nach den beiden gesucht, doch das ist nur schwacher Trost für Del Ponte.

„Natürlich ist es heute sehr wahrscheinlich schwerer, denn nach zehn Jahren weiß Karadzic sehr gut, wie er sich verstecken muss. Mladic ist etwas anderes, denn Mladic ist in Serbien.“

Die Regierung in Belgrad bestreitet das ebenso wie die Regierung in Zagreb bestreitet, dass General Ante Gotovina in Kroatien untergetaucht ist. Der General ist seit mehr als drei Jahren auf der Flucht. Er soll für Kriegsverbrechen an Serben am Ende des Kroatien-Krieges verantwortlich sein. Gotovina ist der letzte noch offene Fall für Kroatien. Doch in Brüssel wiegt Del Pontes Kritik an der mangelnden Zusammenarbeit Kroatiens mit dem Tribunal schwer, und daher ist es sehr fraglich, ob die EU-Beitrittsverhandlungen Mitte März beginnen werden.

Der Prozess gegen Slobodan Milosevic ist bisher der größte Erfolg der 57-jährigen Chefanklägerin. Der ehemalige jugoslawische Präsident wurde vom serbischen Regierungschef Zoran Djindjc im Jahre 2001 ausgeliefert. Mehr als 30 Serben hat Belgrad an das Tribunal überstellt. Nach der Ermordung Djindjics vor zwei Jahren verschlechterte sich das Klima zwischen Belgrad und Den Haag. Ministerpräsident Vojislav Kostunica lehnt weitere Auslieferungen ab und unter den Serben ist die Ablehnung des Tribunals und seiner Chefanklägerin groß.

„Karla Del Ponte ist die internationale Figur mit den absolut negativsten Bewertungen auch in Bezug etwa auf Gorge Bush. Sie weckt die negativsten Gefühle. Sogar bei denen, die ausdrücklich für die Zusammenarbeit mit dem Haager Tribunal sind, erhält sie keine hohe Bewertung. Denn in dieser Gruppe wird die Ineffizienz der Anklage-behörde kritisiert. Dazu kommt, dass in Serbien wird das Tribunal mit Karla Del Ponte identifiziert. Sie ist die Personifizierung des Tribunals, auch des Gerichts.“

Der Vorwurf der Ineffizienz kommt nicht nur aus Serbien. So dauert der Milosevic-Prozess bereits drei Jahre und kein Ende ist absehbar. Andere Serben sind seit drei Jahren in Den Haag in Haft, doch ein Prozessbeginn ist nicht in Sicht. Denn nur 25 der mehr als 1.200 Mitarbeiter des Tribunals sind Richter.

„Es werden sechs Verfahren in der ersten Instanz gleichzeitig geführt. Also jeden Tag werden hier sechs Anhörungen durchgeführt und dann gleichzeitig noch 16 Berufungsverfahren. Es wird schon mit Hochdruck gearbeitet, doch was ich auch selbstkritisch sagen muss, die Verfahren dauern im Augenblick schlicht und ergreifend zu lange.“

Das gilt auch für viele Ermittlungen. So liegt der Kosovo-Krieg fünf Jahre zurück; doch der nunmehrige Ministerpräsident des Kosovo, Ramush Haradinaj, wurde erst im Dezember, unmittelbar vor der Parlamentswahl, vom Tribunal vernommen. Das führte zu neuen Spannungen, denn auch unter Albanern ist das Tribunal nicht populär. Ob Haradinaj wegen möglicher Kriegsverbrechen an Serben angeklagt wird, ist noch nicht bekannt. Er könnte zu den sieben letzten neuen Fällen zählen, die Den Haag derzeit vorbereitet, denn eine Ende des Tribunals zeichnet sich ab.

„Wir werden mit keinen Anklageschriften mehr herauskommen. Wir sind also dran, alle unsere Prozesse vorzubereiten. Wir hängen natürlich von den Verhaftungen ab, denn ich habe noch immer 18 Angeklagte, die auf der Flucht sind. Wir arbeiten natürlich sehr intensiv an der Übergabe von Fällen an Sarajevo, Belgrad und Zagreb.“

Bis 2008 sollen alle Verfahren erster Instanz abgeschlossen sein, doch ob dieser Zeit-plan eingehalten wird ist fraglich. Sicher ist dagegen, dass es dem Tribunal kaum gelungen ist, die Masse der Albaner, Kroaten oder Serben für sich zu gewinnen. So ist Slobodan Milosevics Popularität in Serbien seit Prozessbeginn spürbar gestiegen. Auch das sorgt für Kritik am Tribunal.

“Das was mir fehlt, ist auch eine entsprechende Informationskampagne in den betroffenen Ländern, was der Grund dafür ist. Denn vielfach werden diese Personen, die gesucht werden, als nationale Helden verstanden. Man muss erklären, warum hier gegen die Gerechtigkeit, gegen die Menschenwürde verstoßen wurde.“

Doch diese Aufklärungsarbeit steckt noch in den Kinderschuhen. Daher werden Radovan Karadzic und Ratko Mladic für viele Helden bleiben, selbst wenn sie einst doch noch vor ein irdisches Gericht gestellt werden sollten.

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