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ORF-Exklusiv-Interview mit Vojislav Kostunica, geführt von Christian Wehrschütz

Fernsehen
ZiB1
Berichte Serbien
Herr Präsident, wie haben Sie den völligen Umsturz der politischen Verhältnisse in den vergangenen Tagen selbst erlebt ?

Ich muß sagen, daß ich tief bewegt war. Zuerst die Tatsache selbst, daß die Bürger Serbiens mit großer Mehrheit für politische Änderungen gestimmt haben. Das war vor den Wahlen zu sehen und die Wahlergebnisse vom 24. September haben dies nur bestätigt. Was mich noch mehr überraschte als die Wahlbeteiligung, war die Entschlossenheit des serbischen Volkes den Wahlsieg zu verteidigen. Das haben insbesondere die Bergleute von Kolubara mit ihrem Streik gezeigt. Als es vor einigen Tagen am Höhepunkt der Krise zur Gewaltanwendung der Polizei vor dem Bundesparlament und zu Zusammenstößen mit Demonstranten kam, überraschte mich, daß der Machtwechsel doch friedlich verlaufen ist. Das ist sehr wichtig. Wir haben zum ersten Mal einen Machtwechsel auf höchsten Ebene der unter großem Risiko aber auf friedliche Art und Weise erfolgt ist. Was kann man sich mehr wünschen als das. Wir hoffen, daß sich diese Kette der Änderungen fortsetzt und zu vorgezogenen Wahlen in Serbien führen wird.

Sie sind der Hoffnungsträger eines ganzen Volkes. Wie fühlen Sie die Last dieser Verantwortung und der Erwartungen des serbischen Volkes?

Das ist wirklich eine große Verantwortung aber auch ein ganz anderes Gefühl wenn ich weiß, daß alles, was ich tue, die Unterstützung der Öffentlichkeit hat. Alles, was ich öffentlich erkläre entspricht den Erwartungen der Bürger, weil ich ausdrücke was sie erwarten. Das serbische Volk hat den Wunsch, in einem geordneten Staat normal zu leben; ohne innere Spannungen, ohne Auseinandersetzungen zwischen Regierung und Opposition, in geordneten Beziehungen zwischen Serbien und Montenegro, ohne Sanktionen und mit normalen Auslandsbe-ziehungen. Ich wurde unterstütz, weil ich dies alles zum Ausdruck gebracht habe. Und daher ist diese auf mich zukommende Verantwortung leichter; ich bin absolut sicher und überzeugt, daß alles was ich gesagt habe, völlig den Erwartungen des serbischen Volkes entspricht.

Wie lange wird die Bildung einer neuen jugoslawischen Regierung dauern ?

Ich glaube, daß dies alles sehr schnell verlaufen wird. In allen diesen Tagen erfolgte die Konstituierung der Machtorgane außerordentlich schnell und das ist gut so. Am Montag wird der das serbische Parlament tagen. Die Bildung der Bundesregierung wird, so hoffe ich auch in diesem Tempo erfolgen, aber die erforderlichen Konsultationen müssen natürlich durchgeführt werden.

Das Verhältnis zwischen Serbien und Montenegro war unter Milosevic sehr gespannt und ist auch zu Beginn ihrer Präsidentschaft nicht konfliktfrei. Wan werden die Verhandlungen über eine neue Basis zwischen diesen beiden Teilrepubliken beginnen ?

Ich erwarte, daß die Gespräche über die Beziehungen zwischen Serbien und Montenegro sehr schnell beginnen werden. Wir wollen mit beiden politischen Gruppierungen in Montenegro sprechen. Dies wird schnell gehen, aber diese Fragen sind natürlich ohne die Änderung der Bundesverfassung nicht zu lösen. So muß auch die Frage der neuen Verfassung an die Tagesordnung kommen.

Worin liegen die grundlegenden nationalen Interessen Jugoslawiens ?

Das nationale Interesse Jugoslawiens besteht in stabilen demokratischen Institutionen und in geordneten Verhältnissen im Land. Außerdem wollen wir das Verhältnis zur internationalen Gemeinschaft ordnen, vor allem gegenüber den internationalen Organisationen. Jugoslawien war schließlich Mitglied der OSZE, der UNO und anderer Organisationen.

Was erwarten Sie von der Europäischen Union ?

Von der EU erwarte ich die Achtung der Tatsache, daß Serbien und Montenegro Teil Europas sind. Solche Botschaften kommen aus Europa auch in immer größerer Zahl, vor allem aus Ländern wie Griechenland, Norwegen und Frankreich. Ich glaube, daß sich das politische Klima ändern wird, zumal neue Botschaften über die Abschaffung der Sanktionen kommen, so daß der Prozeß der Rückkehr Serbiens und Jugoslawiens nach Europa sehr schnell erfolgen wird, wo beide auch gehören.

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