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Auch nach dem Machtwechsel in Jugoslawien und Serbien bewegt Slobodan Milosevic die Gemüter. Grund dafür ist die Frage, wie die Ära Milosevic auf-gearbeitet werden soll. Die Chefanklägerin des Haager Kriegsverbrechertribu-nals, Karla Del Ponte, hat jüngst auch in Belgrad die Auslieferung Milosevics nach Den Haag gefordert. Das wird jedoch von Präsident Vojislav Kostunica und von der Mehrheit der jugoslawischen Führung abgelehnt. Sie fürchten um die Stabilität der noch schwachen Demokratie, denn seit dem Machtwechsel sind erst vier Monate vergangen und die erste demokratisch gewählte Regierung Serbiens ist überhaupt erst seit gestern im Amt. Kostunica und der serbische Ministerpräsident Zoran Djindjic wollen Milosevic in Belgrad denn Prozeß machen; einen klaren Zeitplan dafür gibt es aber noch nicht.

Berichtsinsert: Christian Wehrschütz, Belgrad

Insert 1: 1’55: Zoran Djindjic, Ministerpräsident Serbiens

Insert 2: 2’13: Zoran Djindjic

Aufsager: 2’50

Gesamtlänge: 3‘09

In einem Schauprozeß vor fünf Monaten während des Wahlkampfs hatte Slobo-dan Milosevic führende westliche Politiker in Abwesenheit wegen der NATO-Intervention im Kosovo vor Gericht stellen lassen. Das Urteil lautete 20 Jahre Haft wegen Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Nun droht Milosevic selbst ein derartiger Prozeß in Belgrad oder Den Haag. Milose-vic ist zuletzt beim sozialistischen Parteitag Ende November in der Öffentlich-keit aufgetreten. Sein genauer Wohnort in Belgrad ist offen. Dieses Gebäude, ironischer Weise „Weißes Haus“ genannt, gilt als möglicher Aufenthaltsort. Ob und wenn ja wie Milosevic bewacht wird, ist ebenso unklar. Klar ist, daß sein Schicksal wenige intensiv berührt. Nur etwa 200 Personen demonstrierten jüngst in Belgrad gegen Karla Del Ponte, die Chefanklägerin des Haager Tribunals, die auch von Außenminister Goran Svilanovic die Auslieferung Milosevics forderte.

Die Demonstranten waren jedoch gespalten, in Milosevic-Anhänger und Bürger, die dem Tribunal Einseitigkeit vorwerfen. Die jugoslawische Führung will wie der Mehrheit der Serben, daß ein Prozeß in Belgrad stattfindet:

„Der Prozeß sollte besser hier stattfinden, denn wir haben auch unter Milosevic am meisten gelitten.“

„Auf keinen Fall in Den Haag, das ist meine ehrliche Meinung.“

„Wenn sie einen von uns verurteilen, dann hier.“

Doch es gibt auch Gegenstimmen, wie etwa diese Frau:

„In Belgrad wird es wieder bestochene Rechtsanwälte geben; bei Den Haag ist es klar, wer dorthin geht, kommt nie mehr zurück.“

Auch Zoran Djindjic, der neue serbische Ministerpräsident, ist gegen Milosevics Auslieferung, Djindjic läßt sich jedoch im Gegensatz zu Präsident Vojislav Kostunica bei der Frage nach dem Prozessort ein Hintertürchen offen:

„Ich schätze hier, vor allem“

Skeptisch hat Djindjic bereits im Wahlkampf eine Auslieferung Milosevics be-urteilt, denn ........

„das ist keine echte Vergangenheitsbewältigung. Das wäre dann aufgezwungen dieses Thema und ich weiß nicht, ob das der beste Weg ist, mit diesem Thema inn Serbien zu beginnen.“

Djindjic hält die Vergangenheitsbewältigung in Serbien an sich für sehr wichtig, nur .....

„dafür braucht man ein bisschen soziale Sicherheit. Wenn man um das alltägliche Leben bangt. Wenn man nicht weiß, was man morgen erlebt, dann hat man keine Energie, sich mit dem zu beschäftigen, was vor zwei, drei Jahren gewesen ist. Nur wenn man einigermaßen geordnete Verhältnisse hat, dann kommt die Frage des Gewissens. Das war auch in Deutschland so.“

Mit anderen Worten: erst wenn Stromversorgung und Heizung gesichert sind, und auch Lifte wieder funktionieren, kann die Ära Milosevic auch moralisch aufgearbeitet werden. Der Prozeß gegen Milosevic selbst, soll in Serbien jedoch noch in diesem Jahr beginnen.

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